Leseprobe
Home Nach oben

 

Home
Nach oben

DIE KLUGE NÄRRIN    -   LESEPROBE

zu den Seiten    FOTOS   -    DOKUMENTE

Wie Sie den vollständigen Stücktext beziehen können, erfahren Sie auf der Seite Kontakt


Lope de Vega

 

Die kluge Närrin 
(La dama boba)

 

Lustspiel in drei Aufzügen

 


PERSONEN

Don Octavio,   Edelmann
Finea
,   Tochter Octavios
Nisa
,   Tochter Octavios
Don Liseo
,   Fineas Verlobter
Don Laurencio,   Bewerber Nisas
Don Duardo,   Bewerber Nisas
Turin,   Diener Liseos
Pedro,   Diener Laurencios
Clara,   Zofe Fineas
Celia,   Zofe Nisas
Leandro,   Hauslehrer

 

ERSTER AUFZUG

ERSTE SZENE

Vor einer Schenke in Illescas

LISEO, TURIN, LEANDRO

LISEO:
Illescas ...!
 

TURIN:
Ja; ein hochberühmter Ort.
 

LISEO:
Herbergen gibt's nicht viele so wie diese.
 

TURIN:
Berühmte Betten und berühmte Wanzen!
Was meinst du? Speisen wir in dieser Schenke?
 

LISEO:
Wenn wir so lange warten wollten, bis
der Wirt das Mittagsmahl bereitet hat,
so kämen wir an unser Ziel, Madrid,
nicht vor der Mitternacht. Das wär' zu spät,
denn mich erwartet meine Braut. Und ein
Verlobter kann nicht früh genug erscheinen!

TURIN:
Dann wollen wir dem Himmel danken, dass
ich selbst noch etwas bei mir habe.

LISEO:
Was?
 

TURIN:
Du wirst schon sehn . . .
 

LISEO:
Nun sag doch.
 

TURIN:
Warte . . .

LISEO:
Dummkopf! Jetzt zeig es endlich!

TURIN:
Wie gierig!

LISEO:
Schnell!

TURIN:
Da! Scharfer Ziegenkäse ...

LISEO:
Gib ein Stück,
ein echter Mann verschmäht die Süßigkeiten! 

TURIN:
Doch muss er denn gerade Käse essen,
bevor er seine zarte Braut besucht?
Die edlen Damen von Madrid sind fein ...
 

LISEO:
 
... und müssen essen wie die andern Menschen!

TURIN:
Doch jene schöne Finea, der du dich
vermählen sollst, wird sicherlich nichts speisen
als Zuckerwerk und seltene, süße Früchte.
Viel Glück hast du gehabt. Die Braut ist reich!.

LISEO:
Ganz recht; denn vierzigtausend Golddukaten
bringt sie als Mitgift mit in unsre Ehe.
 

TURIN:
Dafür nähme ich sie auch. Doch ihre Schwester Nisa –
die Leute sagen, Nisa sei sehr schön ...

LISEO:
So heißt es auch von meiner Braut Finea;
noch kenn ich sie ja alle beide nicht!
Schau, wer dort kommt, Turin! (zu Leandro)
Willkommen, Herr! des Weges nach Madrid?

LEANDRO:
Ganz recht. Ich kam von dort, nun muss ich wieder
hin und bliebe lieber, wo ich war.

LISEO:
Ihr seid von dort? Seid aus der Hauptstadt?
 

LEANDRO:
Ja. Doch glaubt mir, Herr: Ein Nest ist dies Madrid!
Ein alter Sack voll Lumpen ist nicht besser;
nur niedrig Bettelvolk und Hungerleider!
Nehmt Euch in acht, dass Ihr nicht drin erstickt.
 

LISEO:
Nun, nun; der Herr, den ich besuchen will,
gehört wohl nicht zu jenen armen Teufeln.
Sein Name ist Octavio. Kennt Ihr ihn?
 

LEANDRO:
Da habt Ihr recht. Das ist ein Ehrenmann!
Ich muss es wissen, denn ich leb` in seinem
Hause als Lehrer seiner beiden schönen Töchter.
Ja, schön sind diese Mädchen! Leider aber . . .

LISEO:
Was schweigt Ihr; redet weiter!
 

LEANDRO:
Lieber Herr —
sie sind so hold, dass jede von den beiden
der Schönheit höchsten Preis verdient. —
Leider aber . . .  

LISEO:
Ihr stockt schon wieder? Redet!
 

LEANDRO:
Lieber Herr,
mit Schönheit sind sie beide gleich gesegnet,
die eine aber ist zudem noch klug
und reichbegabt in Kunst und Wissenschaften.
Die andre, leider aber . . .

LISEO:
Nun?

LEANDRO:
Ist ... blöd!

LISEO:
Ist ... blöd!

LEANDRO:
Ist ... blöd!
So kindisch dumm, dass es ein Jammer ist.
Doch erzählte man, ihr Vater habe sie
an einen jungen Edelmann versprochen
von außerhalb.

LISEO (leise zu Turin):
Turin!

LEANDRO:
Doch einen Vorteil hat sie vor der Schwester:
In ganz Madrid ist kaum ein zweites Fräulein,
das eine Mitgift hat, so reich wie sie.
Und dennoch tut der Unglücksmann mir leid,
der seine Hand an solch ein Wesen kettet!
Allerdings - viele gibt's, die das nicht stört und
verblendet durch das viele, schöne Geld,
dem dummen Ding den Kopf verdrehen möchten.
So ziehen sie an ihrem Haus vorbei
und tun, als müssten sie vor Liebe sterben;
jedoch ...

LISEO:
Jedoch?

LEANDRO: 
— das arme Kind versteht es nicht!  

LISEO:
Turin! Hast du gehört!

TURIN:
Ich gratuliere dir, Liseo!

[...]

 

 

 

 

 

 

 

weiter rechte Spalte

DRITTE SZENE

FINEA tritt auf mit ihrem Schulmeister LEANDRO

FINEA: 
Das — das — nein, nein, das kann ich niemals lernen! 

CELIA: 
Schau, deine Schwester kommt mit ihrem Lehrer.

NISA:
Liest sie nun schon?

LEANDRO: 
Ihr bring ich Lesen bei und mir Geduld! 
Was ist das hier?

FINEA (freudig): 
Buchstabe!!

LEANDRO:  
Das ist klar, 
mein liebes Kind, klar wie die helle Sonne! 

FINEA:
Ach ja! Hahahaha! Das ist die Sonne, 
wenn sie am Morgen auf das Kohlfeld scheint.

LEANDRO: 
Das ist ein K. Wir Spanier kennen es 
in unsrer Sprache nicht. Die Deutschen aber 
und auch die Briten  gebrauchen diesen Laut.

FINEA: 
Warum muss ich’s dann lernen? Ich bin doch keine Ditsche oder Pritsche.

NISA:  
Sie geht mit ihrem Hirn sehr sparsam um.

CELIA:
Muss sie auch! Sie hat nicht viel davon.                

FINEA:
Und was sind das für Kringel und Krakel da?   

LEANDRO: 
Buchstaben sind die andern auch.

FINEA:
O weh! So viele gibt's!

LEANDRO: 
Im ganzen sind es fünfundzwanzig, Kind.

FINEA:
Dann hört mich ab. Manche kann ich schon ganz gut.

LEANDRO: 
Soso! Und was ist das?

FINEA: 
Das . . . weiß ich nicht!

LEANDRO: 
Und das?

FINEA: 
Das weiß ich . . . auch nicht.

LEANDRO: 
Und dieses da?

FINEA: 
Das Runde? Hmm . . .! Buchstabe?

LEANDRO: 
Ach ja!

FINEA: 
War es richtig?

LEANDRO: 
Heilige Einfalt!

FINEA:
Ja, ich wusst’s doch, das war die heil'ge Einfalt,nur hatte ich es grade jetzt vergessen.

LEANDRO: 
Nun sprich mir nach: H, i, n, hin.

FINEA: 
Wo gehn wir hin?

LEANDRO: 
Darüber sorg dich nicht. Lies mir nach!

FINEA: 
So wollt Ihr mir nicht sagen, wo wir hingehn?

LEANDRO: 
Um die Buchstaben geht's. Schau sie dir richtig anund sprich mir deutlich nach: H, e, r, her.

FINEA:
Woher?

LEANDRO: 
Dorther, wo ich jetzt weilen möchte,
Um niemals wieder dich zu sehn. Mein Gott, geht's weiter so, verlier ich den Verstand!

FINEA:
Erst sagt Ihr hin, nun sagt Ihr her! 
Euch glaub ich gar nichts mehr.

LEANDRO: 
Pass besser auf, sonst muss ich dich bestrafen.

FINEA: 
Mich? Wer lügt denn hier die ganze Zeit 
mit seinem Her und Hin?

LEANDRO: 
Dich will ich buchstabieren lehren! Gib deine Hand.

(Er gibt ihr mit dem Stock einen leichten Schlag auf die Hand. Sie springt auf. Er läuft weg, sie wütend hinter ihm her.)

FINEA: 
Was fällt Euch ein! Nehmt Euch in acht!

CELIA: 
Gleich kratzt sie ihm die Augen aus!

LEANDRO: 
O Fräulein Nisa, schützt mich!  

NISA:
Was tust du deinem braven Lehrer an?

LEANDRO: 
Haltet sie doch fest!

FINEA: 
Er hat's verdient!

NISA:
Weshalb?

FINEA: 
Grad hatte ich zwei Laute gut gelernt,
die heil'ge Einfalt und . . . und das K.

CELIA: 
Immerhin, die heil’ge Einfalt kann sie schon.

FINEA: 
Nicht wahr? Und gut! Dann sagte er: Gib mir 
die Hand, wir gehn ein bisschen hin und her.
Ich gab sie ihm, da nahm er seinen Stock,
mit einer dicken Eisenkugel dran,
und schlug mich, dass die Haut wie Pfeffer brennt!

LEANDRO:
Wenn Euer Vater, teures Fräulein Nisa,
mir alles schenkte, was sein Eigen ist,
und alles Gold der Welt dazu, ich lehnte
es ab, ihr weiter Unterricht zu geben!
(Ab.)  

FINEA:
Warum zerbricht der Lehrer mir den Kopf
mit seinem Hin und Her und Her und Hin!

NISA:
Es will der Vater unser Wissen bilden.

FINEA:
Das Vaterunser kann ich aber doch!
(zu Celia)
Komm, wickle mir ein Tuch um meine Hand.

CELIA:
Bös wird der Vater sein, wenn er's erfährt.

FINEA:
Ach liebste, beste Celia, sag ihm nichts!
Ich will dir auch was Wunderschönes schenken!

ZWEITER AUFZUG


ERSTE SZENE
 

(LAURENCIO, PEDRO)

 PEDRO:
Aber ja, es ist gewiss, Nisa ist wohlauf.
Sie stand vom Krankenlager auf und wird
in Kürze hier erscheinen, sagt Clara.

LAURENCIO:
Dann muss ich gehen, denn allein will ich
auf keinen Fall ihr gegenübertreten. 

PEDRO:
Aber wär's nicht an der Zeit, ihr alles zu erklären?
Oder hat sich Euer Herz nun wieder von
Finea abgekehrt. Vernünftig wär’s ja ... 

LAURENCIO:
Wo denkst du hin. Ich bleibe bei Finea.
Sie ist bei weitem klüger als man sagt,
und hat ein gutes, liebes Herz. Doch manchmal noch spricht aus ihr die Närrin, so dass ich wieder
zweifle. Und außerdem ist sie Liseos Braut.
Was wird, wenn mir ihr Vater ihre Hand verweigert?

PEDRO:
Doch hat es Nisa nicht verdient, dass ihr
mit ihrem Herzen spielt. Mir scheint, sie ahnt
es schon und wurde deshalb plötzlich krank.

LAURENCIO:
Dann wär es grausam, ihr gleich jetzt,
nachdem sie kaum genesen ist, die volle Wahrheit zuzumuten. Nein, Pedro, heute nicht, kein Wort zu niemand, hörst du. Erst muss ich meiner und Fineas sicher sein. Hast du gehört?
(Ab)

PEDRO:
Was ist das doch ein närrisches Hin und Her, das
die Großen und Gescheiten mit der Liebe treiben. Bald ziehn sie den Verstand zu Rat, bald fragen sie ihr volles Herz und bald den leeren Beutel, und diese drei sind selten einer Meinung.
In der Liebe sind wir Armen doch die Reichsten.
Mir ist meine Clara lieber als all die gescheiten
Nisas und reichen Fineas. Komme ich in ihre Küche, stellt sie mir volle Schüsseln hin und gibt mir dann zum Nachtisch Küsse, so viel ich will.
(Ab)

 

ZWEITE SZENE

(CELIA, NISA, dann LAURENCIO, DUARDO)

CELIA: 
Um Finea wirbt er? Wie geschah denn das?  
An seiner Liebe hab ich stets gezweifelt,
doch nun zweifle ich auch an seinem Verstand.

NISA: 
Sag das nicht, Laurencio scheint mir nur zu klug, und die Klugheit sagt ihm: Liebe ohne Geld  
ist wie ein Haus auf schlechtem Grund erbaut. Meine Liebe suchte seine Seele,
doch dieses Gold verachtet jener Heuchler.
O Celia, wie unglücklich ich doch bin!

CELIA: 
Fasst Euch, dort kommt der abscheuliche Verräter.  

(LAURENCIO und DUARDO treten auf)  

DUARDO: 
Mein Fräulein, alle Dinge um Euch her  
entbieten ihre heißen Sehnsuchtswünsche  
und atmen wieder Ruhe, Glück und Leben, '
weil Ihr genesen seid von Eurer Krankheit,  
die manchen Tag Euch unsrem Blick entzog. Denn Eurer Tugend Kraft ist wie die Sonne  
die Licht uns schenkt und Daseinsfreude.  
Seit ihr Euch wieder unter freiem Himmel zeigt, da können auch die Bäche wieder fröhlich 
fließen, die Blumen dankbar nach der Sonne
schaun und Lerchen jauchzend hoch im Äther jubeln.

LAURENCIO: 
Kristallnes Lachen perlt aus allen Quellen,  
denn Perlen wurden, was einst Tränen waren. Auch ich war krank zu jener Zeit, zu der
ich Eurem Dienst mich nicht mehr weihen durfte.

NISA:         
Sind Eure Worte wirklich wahr gemeint?  
Mich dünkt vielmehr, ein jeder sucht den anderen mit schön gesetztem Spruch zu übertönen.

DUARDO: 
Und das mit vollem Recht , verehrte Nisa,
denn Ihr bedeutet ja für uns das Leben  
und unser Dasein ist nur Euch geweiht.  

NISA: 
Wenn dem so ist, dann geht und pflückt für mich im Garten einen schönen Blumenstrauß.  

CELIA:
So kommt, Duardo, ich weise Euch den Weg
(leise) Fräulein Nisa hat mit Laurencio Wichtiges zu reden.

DUARDO (beiseite):  
Sie liebt Laurencio, wie ich es befürchtet.  

(Zu Nisa)
Aus Treue wind ich euch den
schönsten Strauß,
(beiseite) doch ich versalze ihn mit Eifersucht.

LAURENCIO: 
Die Worte, die mein Mund dir sprach,  
lass sie nun diese treuen Arme wiederholen.

(Er will sie umarmen)  

NISA: 
Zurück, du Heuchler, Schmeichler und Betrüger! Aus niedrer Gier nach Geld verachtest du mein Herz und kniest nun zu den Füßen von Finea!

LAURENCIO: 
Man hat mich schwer verleumdet, teure Nisa!

CELIA: 
Dass Ihr um Finea werbt ist allbekannt,  
auch dass Ihr sie betört mit Liebesschwüren.

LAURENCIO: 
So dreist belügst du deine Herrin?

CELIA: 
Ihr wisst sehr wohl, dass ich die Wahrheit sage. Auch Euer Diener Pedro tat das gleiche,  
er hat das Herz der armen Clara ganz verwirrt.  
Vor Pedro aber habt Ihr kein Geheimnis.  
Wünscht Ihr, dass ich noch weiterrede, Herr?
 

LAURENCIO: 
Pedro? Na warte, Schlingel! Pedro! Pedro!
(PEDRO tritt auf) Was hast du da für dummes Zeug erzählt?

PEDRO:
Ich? Erzählt? Was sollte ich erzählen?  
Ich wüsste nicht, was ich erzählen sollte,  
da zu erzählen ich nichts weiß. Doch wenn ich etwas wüsste, so könnt' es sicher nur  
das Allerbeste sein, denn schließlich bin ich Diener des ehrlichsten, edelsten Herrn der Welt.

LAURENCIO: 
Da habt Ihr's.

CELIA: 
Ein ehrlicher Diener eines ehrlichen Herrn!

NISA:  
Glaubst du, du könntest mich wie jene Närrin täuschen? Deklamiere ihr Romanzen,  
sie wird dir danken, da sie nicht versteht,  
dass dein Schwärmen nur ihrem Golde gilt.  
Doch mich verschone nun mit deinen Lügen!  

LAURENCIO: Nisa, so höre doch ....  
Celia, so sag doch deiner Herrin, wie sehr ...  

CELIA: 
Ein Schwindler, seid Ihr, und ein Dieb der Herzen!

(LAURENCIO  kniet vor NISA und versucht ihre Hände zu fassen; LISEO tritt auf)

NISA: 
Lass mich los, Elender!

LAURENCIO: 
Nicht, bevor ich dir ...  

CELIA: 
Zu Hilfe!

LISEO: 
Mein Herr, ich bitt' Euch zu bedenken, dass Ihr vor einer edlen Dame steht. Betragt Euch,
wie sich’s einem Kavalier geziemt.  
Was tat Euch Nisa, da Ihr sie bedrängt?

LAURENCIO: 
Ihr wisst, es ist die Art von klugen Menschen, dass sie nicht immer liebenswürdig sind.  

LISEO:
Ich bin entsetzt, wie Ihr von dieser edlen  
Dame sprecht. Seid Ihr jetzt zur Stunde frei?

LAURENCIO: 
Ich steh zu Diensten, wo immer Ihr wollt!

LISEO: 
In dem Gebüsch beim Augustinerkloster  
erwart ich Euch. Dort müsst Ihr Rede stehn.

LAURENCIO: 
Wenn bei der Unterhaltung nicht die Zungen, sondern unsre Degenklingen sprechen sollen,
so bin ich da und stehe meinen Mann.

LISEO: 
Beeilt Euch, ich erwarte Euch!
(Ab)

LAURENCIO (beiseite)
Welch aufgeblasener Wichtigtuer! Wahrscheinlich hat Finea ihm erzählt,  
dass ich sie liebe. Nun quält ihn wohl die Angst, dass er das Mädchen und ihr Geld verliert.
(Ab)

NISA:
Ein Glück, dass hier in diesem Haus noch echte Edelleute anzutreffen sind.

CELIA:
Liseo hätte deine Liebe mehr verdient.  
Wie dumm von ihm, sich jener Närrin zu verbinden.

NISA:  
Schweig, ich will von Liebe nichts mehr hören!
(Beide ab)

 

 

 

VIERTE SZENE

(CLARA, FINEA; dann OCTAVIO, später TURIN)

FINEA:  
Ach Clara, wenn ich lesen könnte . . .  

(Sie starrt auf den Brief, während die Lippen zu buchstabieren versuchen. OCTAVIOs Stimme von draußen) 

OCTAVIO: 
Es ist verlorne Liebesmüh! Sie lernt nicht  
lesen, nicht schreiben, und tanzen will sie nicht.

FINEA:        
Ehrwürd'ger, guter, schwachbegabter Vater ...

OCTAVIO: 
Was faselst du da? Was fällt dir ein!

FINEA: 
Der Maestro sagte, ich sei schwachbegabt,
da wurde ich auch so ärgerlich wie du;  
da hat er mir erklärt, was es bedeutet.  
Er sagt, das Wort bezeichnet ein Wesen,
das manchmal sehr herumschimpft, aber das doch nachher immer wieder schrecklich gut ist. und darum nannte ich dich auch schwachbegabt.

OCTAVIO: 
Mein Kind, du musst nicht alles glauben, was  
die Männer dir erzählen. Sag dies Wort  
nie wieder, denn ... es kränkt.

FINEA: 
Verzeih mir, Vater. —  
Bist du mir bös, wenn ich dich etwas frage?

OCTAVIO:  
Was ist es denn?  

FINEA: 
Du kannst doch lesen, Vater .. .?

OCTAVIO: 
Natürlich! Und es wär gut, du könntest es auch!

FINEA:  
Ach bitte, lies das vor.

OCTAVIO: 
„Wenn auch der Schlaf mein Lager floh zur Nacht,  
so ruht' ich doch in Liebesglück versunken.  
Vor mir erstand Dein Leib in edler Pracht,  
und Deine Schönheit hab ich heiß getrunken . . ."

(Er zerreißt den Brief.) 

FINEA: 
Nichts weiter . . .?

OCTAVIO: 
Das ist genug, das ist schon viel zuviel!  
Des Mädchens Narrheit bringt mich noch ins Grab! Von wem ist dieser Brief?

 

 

weiter rechte Spalte


FINEA:  
Von Herrn Laurencio.  
Das ist der schöne, kluge Kavalier  
von der Akademie, der Nisa oft besucht.  
Er sagt, dass er mich über alles liebt ...    

OCTAVIO: 
Der Stutzer, der frisierte, eitle Tropf?  
Solch Schwätzer, solch ein parfümierter Geck! Du hast wohl gar dich mit ihm eingelassen?

FINEA:
Ich hab ihn niemals eingelassen, Vater!  
Nur gestern, auf der untern Treppenstufe,  
da hat er mich im Dunkeln abgeküsst . . .  

OCTAVIO: 
Ab - ge - küsst!!  

FINEA: 
Ist das so schrecklich, Vater?  

OCTAVIO: 
Ja!!

FINEA: 
Ich fühlte nicht, dass es so schrecklich war ...

OCTAVIO: 
Kind, Kind! Wenn das dein Bräutigam erfährt!

FINEA:  
I
ch sag's ihm nicht. Laurencio sagt's ihm auch nicht.

OCTAVIO: 
Kein andrer darf dich küssen als dein Mann!

(TURIN tritt auf in geheimnisvoller Eile.)

TURIN:  
Herr! Herr!                      

OCTAVIO: 
Was bringst du, Rimini

TURIN:
Nein . . .! Turin! 
Es ist etwas Fürchterliches vorgefallen!  
Ein Duell zwischen meinem Herrn Liseo  
und Don Laurencio! Diesen Augenblick  
vielleicht schon schwimmen sie in ihrem Blute!

OCTAVIO: 
Ich hab's geahnt! Ich hab es kommen sehn! Liseo hat erfahren, dass Laurencio  
Finea küsst und Briefe an sie schreibt . . .  
Wo sind sie denn, Bologna . . .?

TURIN: 
Nein . . .! Turin! Sie treffen sich beim Augustinerkloster!

OCTAVIO: 
Schnell! Eilen wir dorthin, Turin . ..!

TURIN:  
Nein, Herr! Turin . . .!

OCTAVIO: 
Das sagte ich doch! Musst du mich stets verbessern!

TURIN: 
Verzeiht mir, Herr! Ich bin es schon gewöhnt . . .

OCTAVIO: 
Ach, meine Ahnung! Gott, wie wird das enden!

(Don Octavio und Turin schnell ab.)

CLARA: 
O weh, o weh!
Wie war er bös dein Vater.
Du hättest ihm den Brief nicht geben sollen!

FINEA: 
Es hat mich schon gereut . . .

CLARA: 
Dein Vater will, du sollst Laurencio nicht mehr weiterlieben.

FINEA:  
Doch wenn ich ihn nicht weiterlieben darf,  
bleibt mein Gefühl für ihn genau wie sonst. Ich weiß nicht, was mit mir geschehen ist.  
Denn wenn ich schlafe, träume ich von ihm,  
auch wenn ich esse, seh ich ihn vor mir,

CLARA:
Du redest heute, wie noch nie zuvor;  
mir scheint, dass du dich ganz verwandelt hast  
in eine andre.  

FINEA: 
Nein, in einen andern!  
Und dennoch will ich meinem guten Vater gehorsam sein. Ich muss Laurencio vergessen.
Nur fürcht ich, dann vergesse ich mich selbst!

(schluchzt)

CLARA:
Ich liebte Pedro nur, weil du Laurencio liebtest; nun will auch ich vergessen, so wie du!  
Wir waren beide glücklich, nun lass uns auch
zusammen traurig sein. Armer Pedro ... (
schluchzt)

FINEA:  
Armer Laurencio ...
(schluchzt)

(FINEA und CLARA ab)

 

 

FÜNFTE SZENE

(LISEO und LAURENCIO kommen von verschiedenen Seiten. Später OCTAVIO und TURIN, dann CELIA)

LISEO:
Beim Augustinerkloster wart Ihr nicht!  
Nun treffe ich Euch hier beim Haus! Was heißt das? Seid Ihr zu feige?!

LAURENCIO: 
Wir haben uns verfehlt;  
doch steh ich Euch auch hier!

LISEO: 
Gut denn; so wehrt Euch!

LAURENCIO: 
Bevor wir beide unsre Degen ziehen,  
verratet mir den Grund, weshalb wir's tun.

LISEO:  
Das wird Euch der Verstand schon selber sagen!

LAURENCIO: 
Euch plagt ja nur die Eifersucht, Liseo,  
weil ich Finea mir erringen will.

LISEO:
Bei meiner Ehre! Ihr verstellt Euch nur!  
Gesteht es doch. Ihr denkt ja nicht daran,  
Euch einer solchen Närrin zu vermählen!  

LAURENCIO: 
Ich will Euch meine Gründe sagen, Freund,  
dann werdet Ihr verstehn, warum ich's tue: Schaut! Ich bin arm, wenngleich aus edlem Stand; Fineas Mitgift soll mir Reichtum bringen. Und was das Schönste ist: Ich liebe sie  
nun wirklich. Sie ist so herzlich, so warm und gut, dass Nisas Bild mir aus dem Herzen wich.

LISEO:  
Finea wollt Ihr haben? Nisa nicht??  
Bei Gott! Dazu will ich Euch gern verhelfen.  
Von heut an bin ich Euer bester Freund!

LAURENCIO: 
Und ich will alles tun, damit auch Ihr  
sobald wie möglich Nisas Gatte werdet.
Von jetzt ab: Dein Orest!

LISEO: 
Dein Pylades!

(Sie umarmen sich. OCTAVIO und TURIN treten auf.)

TURIN: 
Ich hörte es genau! Sie waren furchtbar wütend. Sie drohten, und fuchtelten mit ihren Degen.  
Aber ... da stehn sie ja!!

OCTAVIO: 
Das soll ein Zweikampf sein, Palermo! Wie?

TURIN: 
Turin! Es ist Betrug. Sie sahen uns  
von weitem schon, und sie verstellen sich . . .

OCTAVIO:
Seid mir gegrüßt, Ihr Herrn. Wie geht es Euch?

LISEO:  
Wir sind ... ein wenig durch die Stadt spaziert.
Das tun wir jeden Tag und plaudern dann  
von unsrer Zukunft und von allen Dingen,  
die uns das Herz bewegen. Denn Laurencio  
ist mir ein treuer Freund geworden, seit  
der Stunde, da ich Euer Haus betrat.

OCTAVIO:  
Diese Freundschaft weiß ich hochzuschätzen.

LAURENCIO: 
Wir wollten soeben nach der Akademie.

OCTAVIO: 
Dann eilt Euch nur, Ihr Herrn. Lebt wohl.

LISEO / LAURENCIO: Lebt wohl.

(Beide unter Verbeugungen ab.)

OCTAVIO: 
Du hast mich angelogen, Verona!

TURIN:  
Turin, Herr! - Habt Ihr es denn nicht bemerkt?
Sie heucheln doch! Sie sahen uns von weitem und tun, als wäre gar nichts vorgefallen.
Nun gehn sie um die Ecke und bringen sich um.

OCTAVIO: 
Ach was, Milano!
(Ab)

 

 

NEUNTE SZENE 

(FINEA, LAURENCIO; später DUARDO, PEDRO)

LAURENCIO: 
Finea!

FINEA:   
Nein! Mit dir will ich nicht mehr sprechen,  
weil du mit Nisa fortgelaufen bist.  
Oh, ich bin krank vor Eifersucht! Der Vater  
hat mir genau beschrieben, was das ist,  
und mir auch gleich gezeigt, wie man's kuriert.

LAURENCIO: 
Und wie? Kann ich dir dabei wieder helfen?

(Versucht sie zu umarmen, FINEA wehrt ab)

FINEA: 
Indem man tapfer sich davon befreit!

(DUARDO und PEDRO treten auf.)

LAURENCIO: 
Ich glaube, ich weiß dafür das beste Mittel.
Schau, da sind meine Freunde, und sie sollen  
mir helfen, dich sogleich gesund zu machen!  
Im rechten Augenblick seid Ihr erschienen!  
So hört denn: Ich verzichte nun auf Nisa,  
Mein Herz hat sich Finea zugewandt!

DUARDO ( nimmt LAURENCIO beiseite):  
Das ist doch heller Wahnsinn, teurer Freund!  
Dich hat wohl eine Zauberin verhext?  
(Beiseite) Obwohl diese Wandlung mir sehr gelegen kommt!

PEDRO:
Die Zeit verschwendest du und die Gesundheit!

LAURENCIO: 
Du schweigst, du Dummkopf!

PEDRO:
Wird eine Torheit besser,  
wenn sie ein weiser Mann begeht?

LAURENCIO: 
Finea!  
Wenn du vor dem edlen Herrn Duardo  
und meinem Diener Pedro hier erklärst,
dass du mein Weib sein willst, so wird sogleich
die Eifersucht, die dich gequält, verschwinden.  

FINEA:  
Nichts weiter? Oh, das will ich gerne tun!  
Duardo, Pedro, hört genau mir zu:  
Ich gebe hier mein Wort und sage Euch:  
Laurencio liebt mich und ich liebe ihn,  
drum will ich seine Gattin sein!

(Die zwei stehen erstarrt.)

DUARDO:  
Ein Wunder! Sie spricht, als wär die Göttin  
Der Vernunft auf einmal in sie hineingefahren.  

PEDRO:  
Nein, es war die Liebesgöttin, deren Zaubermacht dies Wunder hat vollbracht.

LAURENCIO: 
Und nun ist alle Eifersucht vorbei?

FINEA: 
Vorbei!

LAURENCIO: 
Gut, dann kommt mit uns, Freunde, aber schnell;
ganz dicht bei meinem Haus wohnt ein Notar.  

DUARDO (beiseite):  
Jetzt wird Nisa mein!

(LAURENCIO, FINEA, DUARDO, PEDRO ab;)

DRITTER AUFZUG


ERSTE SZENE
 

(FINEA schreibt; CLARA)

CLARA:
Sie reden von nichts anderem als von dir,
denn jedem kommst du wie verwandelt vor.
Und nun kannst du sogar richtig schreiben.
Liest du mir vor, was du geschrieben hast?

FINEA:
O Liebe, Herrscherin im weiten All!
Gott selbst in seiner hocherhabnen Weisheit
erschuf dich, und er schenkte dir die Kraft,
die Dinge alle schöner zu gestalten.
Verdunkelt war mein Sinn und traumbefangen;
da weckte mich der Liebe Gnadensonne,
nun wandle ich frei und sicher meine Straße
und alle, die mich kennen, sehen es mit Staunen.

CLARA: 
Wie schön! Es hört sich an wie ein Gedicht.
Solche Worte hast du früher nie gebraucht.
Nun wird dein Vater wohl zufrieden sein.              Er sagt, Liseos Liebe hat’s bewirkt.

FINEA: 
Laurencio war mein Lehrer und kein andrer.

CLARA:
Der weiseste der Lehrer ist die Liebe.

FINEA: 
Und drum lass ich mir auch von keinem andern sagen, wen ich zu lieben habe. Und
die Liebe sagt: Laurencio oder keiner! 

CLARA:
Und mir sagt sie: Pedro und kein andrer!                Ich habe längst bereut, dass ich mich von ihm
abgewendet habe. Wie war er traurig ...

FINEA:
Von nun an folgen wir allein der Liebe!

(FINEA, CLARA ab)

 

 

ZWEITE SZENE

[...]

LAURENCIO:
Was Neues mit Liseo? …
Nun sag es schon!

TURIN:
Weil Nisa ihn nicht mag, so geht er nun                  aus Rache hin zu ihrem Vater, um ihn                  nun endlich um Fineas Hand zu bitten.

LAURENCIO:
Was? Dann hat er mir sein Wort gebrochen!

TURIN:
Ja! Und mir hat er die Tür zu Celias
Herz für immer zugeschlagen. Lebt wohl!

(Traurig ab)

LAURENCIO: 
Ich hab’s geahnt! So hat es kommen müssen.
Weil nun Finea klug geworden ist,                  versucht der Kerl mich auszustechen. Nun muss sich zeigen, wie klug die Närrin wirklich ist.

(Ab)

 

 

FÜNFTE SZENE

(FINEA, LAURENCIO; dann LISEO, TURIN; dann CLARA)

LAURENCIO:
O hätte  Gott gefügt, dass dein Verstand
geblieben wäre, so wie ehedem ...

FINEA:
Mich klagst du an? Die Schuld trägst du allein.
Du schufst aus mir das Wesen, das du liebst! Und nun bist du erzürnt?

LAURENCIO:
Nicht über dich!
Mich selbst beklag ich, weil Liseo jetzt
vor deinen Vater tritt, der deine Hand
mit Brief und Siegel ihm schon längst versprach.
Weißt du den Weg, wie wir’s verhindern können?

FINEA:
Liseo liebt in mir, was du erschufst;
die Närrin flößte ihm nur Abscheu ein.
Wenn ich nun abermals zur Närrin würde ...

LAURENCIO:
Wird dir das jetzt noch möglich sein?

FINEA:
An jenem Ort, wo sie geboren sind,
da kennen selbst die Blinden Weg und Steg.
Und überdies: Wir Frauen lügen gern;
wir spielen Liebe, heucheln Eifersucht -

still, Liseo kommt!

(LAURENCIO versteckt sich, LISEO und TURIN treten auf)) 

LISEO:
Da steht sie selbst, die Herrin meines Herzens.
Seid mir gegrüßt, Finea. Wisst Ihr schon,
Duardo wird mit Nisa sich vermählen,
Euer Lehrer warb für ihn bei Eurem Vater,
und da Octavio ihm das Jawort gab,
so ward beschlossen, dass auch Ihr und ich
am gleichen Tag die goldnen Ringe tauschen.

FINEA:
Mit Euch tausche ich meine Ringe nicht,

TURIN:
Sie spricht ja ganz wie früher! Das alte Übel
ist zurückgekehrt? Pech, Liseo! 

LISEO:
Mein Fräulein, man tauscht die Ringe, wenn man sich vermählt. Es ist ein alter Hochzeitsbrauch ...

FINEA:
Hochzeitsbrauch? Ich brauche keine Hochzeit.

(Sie geht auf Liseo los, indem sie das Arbeiten mit dem Nudelholz imitiert.)

TURIN:
O großer Gott!
Der Wahnsinn spricht aus ihren armen Augen!

LISEO:
Wie sonderbar! Noch gestern staunte ich,
dass Euer Geist so klar und strahlend war.

FINEA:
Mein Geist? Ja bin ich denn gestorben?

TURIN (beiseite):
Das freilich nicht.

LISEO:
O kommt doch wieder zu Euch, teure Freundin,
fühlt Ihr denn nicht, wie ich für Euch erglühe?
Euer Sklave bin ich, Ihr sollt mein Herr sein ...

FINEA:
Nicht der Herr. Eure Herrin bin ich, Narr!

TURIN:
Lass es doch sein! Du siehst ja, es ist zwecklos.

LISEO:
O sprecht doch nicht so grausam zu dem Armen,
der seine Seele Euch zu Füßen legt.

FINEA:
Mich ängstigen die Seelen!
Ich fürchte, dass, wenn drei zusammen sind,
die eine sicher aus der Hölle kommt.
Und in der Nacht vor Allerseelen zieh
ich mir die Decke über beide Ohren
und trau mich nicht, den Kopf herauszustrecken.

TURIN:
Schau nicht mehr hin, sonst wirst du selbst verrückt!

LISEO:
Versteht Ihr nicht? Ich bin bereit für Euch
Mein glühend Herz mir aus der Brust zu reißen.

FINEA:
Wie macht Ihr das?
Komm, Clara, gib mir das Messer!

(Nimmt CLARA, die mit einer Schüssel voll Gemüse vorbeigeht, das Küchenmesser aus der Hand und geht auf LISEO los)

LISEO:
Sie ist nicht närrisch bloß; sie ist verrückt!

TURIN:
Oft wird ein halber Narr auch völlig blöd!

FINEA:
Warte, Liseo, wir schneiden dein Herz lieber
mit dem Messer da heraus, so sieht es nachher viel hübscher aus, als wenn du es herausreißt ...

LISEO (flieht):
Bei Gott, Turin, wie hattest du doch recht;
zu Nisa kehr ich reuevoll zurück!

TURIN:
Liseo, lauf! Der Wahnsinn ist bewaffnet!

(Beide im Laufschritt ab)

FINEA:
Was sagst du nun?

LAURENCIO:
Die hast du gut belehrt. Früher
hättest du’s nicht besser machen können!

FINEA:
Jedoch zuletzt bekam ich schreckliche Angst,
dass die Verstellung echte Narrheit würde.
Denn jetzt, als ich sie spielte, fühlt' ich wieder
ganz so wie die, die . . . schwach im Hirne sind!
O mein Laurencio, fürchterlich . . . entsetzlich!
Mir war, als stünd' ich dicht vor einem Abgrund.

(LAURENCIO nimmt sie in den Arm)

 

 

 

SIEBTE SZENE 

(FINEA; OCTAVIO, LISEO, TURIN treten auf)

OCTAVIO:
Was ist nun mit Laurencio? Ist er weg?

FINEA:
Er hält sich ganz genau an das, was du
befohlen hast: Sobald er dieses Haus verlassen
hat, so wird er es nie mehr betreten.

OCTAVIO: 
Und wo ist er nun?

FINEA: 
So wie du’s befohlen hast: Wo sein Fuß  
nicht mehr den Boden von Madrid berührt.
(LISEO und TURIN kommen. FINEA läuft davon) Huch, ein Mann! Und noch einer! Schnell weg ...

OCTAVIO:
So bleib doch, Närrin; wohin willst du denn?

FINEA:
Ich soll mich doch verstecken vor den Männern,
wie du es mir befohlen hast, mein Vater!

OCTAVIO: 
Das ist ja nur Liseo mit Lugano.

TURIN: 
Turin, Herr! Turin, Turin ...
(läuft wütend davon)

OCTAVIO: 
Nun, dann um so besser! (Zu Finea) Bleib!

FINEA: 
Nein, nein, ich tue, was du mir befahlst,  
damit du mich nicht wieder schelten musst.
Von jetzt ab sieht kein andrer Mann mich mehr  
als der allein, mit dem ich mich vermähle.  
Und deshalb geh ich in die Speicherkammer!

OCTAVIO: 
Aber mit Liseo wirst du dich doch vermählen.  

(Zu Liseo)
Ein leichter Rückfall, lieber Schwiegersohn ...

weiter rechte Spalte


LISEO:
Es wär mir eine große Ehre, Euer Schwiegersohn zu heißen und, es wäre 
mir auch eine große Freude, freilich ...  


OCTAVIO: 
Freilich? Wäre? So habt Ihr Euch noch nicht
entschieden? Ich will jetzt endlich Klarheit haben.
Wollt Ihr denn meine Tochter nicht zur Frau? Hinkt sie vielleicht? Hat sie einen Buckel?  
Fehlt ihr ein Auge? Hat sie zwei Nasen?
Zu vierzigtausend Golddukaten wollt Ihr wohl noch die Weisheitsgöttin selber haben?

(NISA erscheint im Hintergrund ohne bemerkt zu werden)

LISEO:
Ihr irrt, ich will Eure Tochter ja zur Frau,  
freilich – die – die - die andere ...

OCTAVIO: 
Die andere?

LISEO:
Ja, Nisa, die ich aus tiefstem Herzen liebe!
Es war das Geld, das mich verleitet hat,
Fineas Bräutigam zu werden, doch als
ich Nisa sah, vergaß ich alles Gold und  
wünschte nur, dass sie mich wiederliebt.  

OCTAVIO: 
Nisa? Ihr seid wohl nicht bei Trost! Im Übrigen ist’s dafür nun zu spät. Soeben habe
ich Duardo ihre Hand versprochen.
Bedenkzeit geb ich Euch bis morgen früh.
Wenn Ihr Euch bis dahin nicht erklärt,
so dürft auch Ihr mein Haus nicht mehr betreten.
(Wütend ab)  

 

 

ACHTE SZENE

(LISEO, NISA; - DUARDO erscheint im Hintergrund ohne bemerkt zu werden)

LISEO (erschrickt, als er Nisa wahrnimmt):  
Du hast es gehört? Verzeih mir, dass ich hinter

deinem Rücken von deinem Vater deine  
Hand erbat. Doch wie du hörtest ist er  
gegen mich. Morgen werd ich dieses Haus verlassen, denn nie kann ich Finea lieben.

NISA:  
Und niemals werde ich Duardos Gattin.

LISEO: 
So darf ich wieder hoffen? Schönste Nisa,
lass mich doch Gunst vor deinen Augen finden.

NISA:  
Ich will versuchen, ob es mir gelingt,  
ein wenig dich zu lieben ...

LISEO:
... ein wenig nur ...?

NISA (umarmt ihn plötzlich stürmisch):  
Nein von ganzem Herzen!
(läuft schnell davon)  

(LISEO bleibt wie benommen stehen, DUARDO macht sich   durch ein Räuspern bemerkbar))

LISEO (verlegen)
Nun denn ...  

DUARDO: 
Nun ja ...

LISEO: 
Lieber Herr, lasst mich Euch erklären ...

DUARDO:
Lieber Herr, es gibt nichts zu erklären,  
ich sah, ich hörte ... und nun bin ich betrübt!

LISEO: 
Ich steh Euch mit meinem Degen zur Verfügung, falls es Eure Ehre so befiehlt ...

 

 

 

NEUNTE SZENE

(CELIA, OCTAVIO, TURIN kommen hinzu; später NISA)

CELIA: 
Es ist Unglaubliches geschehen!

OCTAVIO:  
So sprich doch endlich! Was ist vorgefallen?

CELIA:
Mit einem Korb am Arme traf ich Clara;  
darinnen lagen zwei gebackne Hühner,  
ein Hasenbraten und ein Kalbsragout,  
ein halber Schinken und ein Ziegenkäse,
Salz, Messer, Gabeln, Gläser, Brot und Wein; das schleppte sie hinauf zur Speicherkammer.

OCTAVIO:
Beruhige dich, das war doch für Finea.

CELIA:
Alle diese Speisen für Finea?

TURIN: 
Die Narren haben guten Appetit!

CELIA: 
Das ist nicht alles, denn ich schlich ihr nach;  
sie schloss die Tür . . .

OCTAVIO: 
Du lässt sie meistens offen!

CELIA: 
Ich aber merkte noch, dass auf den Dielen  
ein weißes Tischtuch ausgebreitet war  
mit vier Gedecken. Auch zwei Männer sah ich ...

OCTAVIO: 
Zwei Männer, sagst du? Was? bei meiner Ehre! Wer dieses Hauses Ehre mir befleckt,  
der soll mich kennen lernen!!
(In rasender Wut ab ins Haus)

DUARDO: 
Wie war er fürchterlich in seiner Wut!  

TURIN: 
Hoffentlich geschieht kein Unglück!  

LISEO: 
Nein, beruhigt euch; Octavio ist ein viel zu kluger Mann.

OCTAVIO (innen)
Das Haus beschmutzt, den Namen mir besudelt! Wo sind die Schurken; wenn ich sie erwische, stoß ich die Räuber meiner Ehre nieder!!

NISA (eilt herbei):  
So hört doch, wie schrecklich er tobt und wütet!
Wenn ihn der Zorn packt, kennt er sich nicht mehr!

OCTAVIO (innen)
Mein Kind in meinem eignen Haus geschändet! Die Missetat wird nur mit Blut gesühnt!!

 

   

 

ZEHNTE SZENE

(LAURENCIO, FINEA, PEDRO, CLARA stürzen aus dem Haus; dahinter OCTAVIO mit gezücktem Degen. LEANDRO versucht ihn aufzuhalten) 

OCTAVIO: 
Wer meines Namens Ehre mir befleckt,  
der muss es zehnmal mit dem Tode büßen!
(zu Laurencio) Hab ich Euch nicht gesagt, Ihr dürft mein Haus nicht mehr betreten?

LAURENCIO: 
Wie sollt ich es betreten,
da ich es seitdem nie verlassen habe?

OCTAVIO: 
Du Lügnerin; hast du nicht selbst gesagt,  
er sei dorthin gegangen, wo sein Fuß  
nicht mehr den Boden von Madrid berührt?

FINEA:
Oben in der Speicherkammer stand sein Fuß gewiss nicht auf dem Boden von Madrid . . .

OCTAVIO:
Die Zunge soll im Munde dir verdorren,  
du falsche Schlange du!

 

LEANDRO:  
Don
Octavio, hört!  

Ihr wart doch stets in diesem Haus der Klügste! Wollt Ihr, dass man Euch nicht mehr dafür hält?

OCTAVIO: 
Was ratet Ihr?  

LEANDRO: 
Die Liebe, diese Gottesmacht, hat Euren Töchtern Männer zugeführt. Ein weiser Mann beugt sich vor Gottes Walten! Ihr wart doch froh
als Ihr für jene Närrin dort einen Gatten fandet. Nun ist sie klug und hat den Mann gefunden  
der sie liebt, was tut’s, dass er Laurencio  
statt Liseo heißt? Ehemann ist Ehemann!  
Liseo aber fand nun Nisas Herz.  
Was ändert dies an Euren Heiratsplänen?  
Seid klug: Gebt jede jenem den sie liebt!

OCTAVIO: 
Wenn's nun denn des Himmels Fügung ist: Liseo, Ihr sollt Nisas Gatte werden,  
weil Ihr mir sagt, dass Ihr sie innig liebt.  
Doch Ihr Duardo, zürnt Ihr nicht darüber?  
Ihr wart’s doch, dem ich sie versprach.

DUARDO:  
Wenn es Nisas Glück bedeutet, sei sie sein.   Die Liebe ist frei und lässt sich nicht erzwingen. Der Weise lächelt und bescheidet sich
und ist sich selbst genug, denn höchste Weisheit
ist der Verzicht, der andre glücklich macht!

LAURENCIO:
Und darf ich meine Hand Finea reichen?

OCTAVIO: 
So gib sie ihm, du überschlaue Närrin!

PEDRO:
Doch Clara, die uns Hasenbraten brachte?

FINEA:
Clara sei dein!

PEDRO: 
An deinem Busen werd ich nie verhungern!

TURIN:
Bleibt denn nicht auch für mich ein Knöchlein übrig?
 

NISA:
Dein sei Celia!

TURIN:
An deinem Busen lässt's sich trefflich streiten ...

CELIA: 
Doch hoch über allen Streitigkeiten thront die Liebe!

TURIN: 
Wen sie mit ihrem Zauberstab berührt,  
den trägt sie über Irdisches empor ...  

LISEO: 
... und schenkt ihm höchstes Glück mit leisen Händen.

NISA:  
Den Traurigen und den Verzweifelten  
gießt neue Hoffnung sie ins kranke Herz;

LAURENCIO: 
Ja selbst die Wesen, die durchs Leben tasten mit blinden Sinnen, traumbefangnem Hirn, unwissend ihrer selbst ...

FINEA:
... sie weckt sie auf,  
beschenkt sie mit dem Lichte des Verstandes und adelt sie zu Gottes Ebenbildern.  

CLARA:
Denn nur durch Liebe pflanzt die Welt sich fort.
Auch Ihr wärt ohne Liebe nie geboren ...

PEDRO: 
... und hättet diesem Spiel nicht lauschen können, dem heitern Spiel, das nun zu Ende ist.

ENDE

zum Seitenanfang