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DER SCHATZ IM SCHLOSS ...       -        LESEPROBE

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Der Schatz im Schloss  
DER VERGANGENHEIT

 

Theaterstück für Jugendliche  

nach Motiven von Edith Nesbits Erzählung

 

Die Kinder von Arden  



PERSONEN

Elfrida 
Edred 
Harold, Vater von Edred und Elfrida 
Lord Arden (= Harold)
Lady Arden 
Tante Edith 
Betty 
DICK
TALBOT 
Mr. Stern 
Mr. Parados (= Mr. Stern) 
Mrs. Honeysett 
Mrs. Lovell (= Mrs. Honeysett) 
Mrs. Honorly (= Mrs. Honeysett) 
Der weiße Maulwurf 
Roberto
Erzähler
 

 

Ausschnitte aus den Szenen 1 - 6

1

1. SZENE  

Elfrida, Edred und Edith sitzen am Tisch; Mrs. Honeysett serviert.  

ERZÄHLER  
Früher einmal, im Mittelalter, waren die Ardens ein berühmtes Rittergeschlecht mit großen Feldern und Wäldern, mit reichen Schätzen, mit Pächtern und Knappen und Soldaten. Damals musste der Herr des Hauses drei Tage reiten, ehe er die Grenze seines Besitzes erreichte. Es hatte Ardens schon zur Zeit der Angelsachsen gegeben, sie hatten auf Kreuzzügen gekämpft, hatten für und manchmal auch gegen ihren König gestritten. Und es gibt noch immer Ardens, aber sie besitzen keine Ländereien mehr, weder Knappen noch Soldaten. Das Dach des alten Schlosses droht einzustürzen und ein Seitenflügel liegt seit langem in Trümmern. Und es gibt auch nur noch zwei männliche Nachkommen, d. h. bis vor kurzem gab es zwei. Denn mittlerweile ist der alte Lord Gerald Arden, der bis vor kurzem mit seiner Haushälterin Mrs. Honeysett in den wenigen noch bewohnbaren Räumen des Schlosses ein bescheidenes Leben geführt hatte, auch gestorben. Und so ist das Schloss nun in den Besitz des Großneffen des alten Lord Gerald übergegangen. Dieser Großneffe, Edred ist sein Name, ist allerdings noch ziemlich klein, er ist nämlich erst elf Jahre alt. Er hatte bisher zusammen mit seiner ein Jahr älteren Schwester Elfrida bei ihrer Tante Edith in einem Haus am Meer gewohnt, dessen Zimmer im Sommer an Touristen vermietet werden. Gerade sind alle drei im Schloss angekommen, um das Erbe zu inspizieren und Mrs. Honeysett hat zur Feier des Tages ein richtiges kleines Festessen zubereitet.  

Elfrida 
Red, du solltest dir endlich angewöhnen, mit Messer und Gabel zu essen. Schließlich leben wir nun in einem Schloss.

Edred 
Dann sprich mich gefälligst auch mit Eure Lordschaft an, wie es sich gehört.  

Elfrida  
Gut, wenn du zu mir Lady Arden sagst?

Edred                              
Bist du ja gar nicht.  

Elfrida
Bin ich doch.

Edred
Bist du nicht!

Elfrida
Bin ich doch!

Edred
Aber ich bin der Erblord. Ohne mich würden wir immer noch in Tante Ediths Haus bei den nervigen Touristen wohnen.

Edith
Wohin wir wohl auch wieder zurück müssen, Kinder.

Edred / Elfrida
Was? Nein, bitte nicht, Tante Edith. Lass uns hier bleiben, bitte, bitte!  

Elfrida  
Es ist so romantisch hier, wie im Märchen. Auch wenn alles etwas alt und kaputt ist.

Edred 
Das Essen von Mrs. Honeysett ist es allein schon wert, dass wir hier bleiben.

Edith  
Siehst du, das ist schon so ein Punkt. Wie soll ich Mrs. Honeysett bezahlen? Mein kleines Gehalt bei der Post reicht gerade mal für's Nötigste und die Mieteinnahmen von den Gästezimmern haben wir nur im Sommer, wenn Touristen kommen.    

 

[...]

 

Elfrida

Eigentlich wäre ja Daddy der Erbe gewesen. Er hätte bestimmt alles in Ordnung gebracht. Ich kann einfach nicht glauben, dass er tot ist. Er lebt! Ich fühle es!  

Edith (tröstet sie)  
Ja, er lebt - in deinem Herzen, Elfi, und das ist schön so! Aber leider kann er uns nicht mehr helfen. Ich gehe nun, die Koffer auspacken. Und ihr helft Mrs. Honeysett beim Abräumen.

ERZÄHLER  
Ja, das war schon eine traurige Geschichte mit den Eltern der beiden. Zuerst war ihre Mutter krank geworden, schwer krank, und ihr Vater hatte sie in die besten Kliniken zu den besten Ärzten gebracht, zuletzt noch nach Amerika. Das ganze Vermögen war dabei verbraucht worden und dann war die arme Frau doch gestorben. Der Vater hatte bald einen gut bezahlten Job bei einer Bergwerksfirma im kolumbianischen Urwald angenommen. Einerseits hoffte er, bei der harten Arbeit dort ein wenig Abstand von all den traurigen Ereignissen zu gewinnen, andererseits musste er schnell viel Geld verdienen, um für sich und die Kinder eine neue Existenz aufzubauen. Er hatte sie in ein teures Internat gegeben, damit aus ihnen etwas werden würde.  

Edred und Elfi hatten sich dort gerade gut eingelebt und der Schmerz über den Verlust der Mutter und dann auch noch die Trennung vom Vater hatte sich ein wenig beruhigt, da geschah das nächste Unglück. Der Vater wurde von Rebellen entführt, ...

 

[...]

 

Mrs. Honeysett  
Gut Red und Elfi!
Hört zu. Aber sagt es bitte niemandem weiter, auch eurer Tante nicht. Sie wird euch sonst auslachen und sagen, alles sei nur ein Ammenmärchen. Es gibt nämlich einen Zauber, der mit dem Schloss zusammenhängt. Du, Red, bist der erste Arden, der die Chance hat ihn zu brechen und den Schatz von Arden zu heben.  

Elfrida  
Ein Schatz! Genau, das ist die Lösung. Wir heben den Schatz von Arden.

Edred
Moment mal! Ich hebe ihn, hat Mrs. Honeysett gesagt.

Elfrida
Du allein? Bist du dazu nicht etwas zu - na ja, sagen wir vornehm - unbegabt, mein Lieber?  

Edred (boxt sie)  
Du bist immer so gemein. Also, Mrs. Honeysett: Wo ist der Schatz? Ich hole gleich mal eine Schaufel. Schatzsuche ist reine Männersache.

Elfi (lacht sich kaputt)  
Schaufel ist gut. Schaufel ist sehr gut. Wenn das so einfach wäre, wären schon mehr auf die Idee gekommen.

Mrs. Honeysett
Es wäre gut, ihr würdet euch gegenseitig helfen statt zu streiten. Die Sache ist tatsächlich nicht ganz einfach, Red. Sie ist sogar sehr schwierig und es braucht viel Mut, Klugheit und Geduld um den Schatz zu finden. Also hört zu: Die Familie Arden war einst sehr, sehr reich. Einer eurer Vorfahren hatte während der Kreuzzüge aus dem Orient ungeheure Mengen von Gold, Perlen und Edelsteinen mitgebracht, welche ihm die Bürger einer eroberten Stadt geschenkt hatten. Sie waren ihm dankbar, weil er sie von Plünderung und Brandschatzung verschont hatte.  

 

[...]   

 

4. Szene

 Es ist ziemlich dunkel. Edred und Elfi kommen ins Zimmer. Sie unterhalten sich flüsternd.

Elfi
Komm, gib mir deine Uhr. Ich mach den Countdown. Hast du sie auch wirklich genau gestellt?

Edred
Meine Uhr geht immer genau. Funkgesteuert!

Elfi
Also konzentrier dich und bleib bloß nicht hängen wie vorhin.

Edred
Das passiert nur, weil du mich ständig nervös machst. Ich mach das schon. Los, Countdown!

Elfi
Also, es ist jetzt genau 23. 59 Uhr und 10 Sekunden. Du weißt, bei 48 legst du los, wie wir es abgestoppt haben. (Sie beginnt die Sekunden zu zählen, erst leise dann laut: ) 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47

Edred sagt den Spruch auf. Beim letzten Wort - " ruht" - Blitz und Donner. 

Edred
Es scheint geklappt zu haben.

Im Sessel sitzt der weiße Maulwurf

Elfi
Red, schau mal!

Edred
Was ist denn das? Sieht aus wie ein Pokemon!

Elfi
Psst. Wenn du ihn ärgerst, ist es Essig mit dem Schatz.

Edred
Ach was, der weiß bestimmt nicht ,was ein Pokemon ist. Der ist doch uralt.

Maulwurf
Aber deswegen lange noch nicht von gestern, mein Lieber! (Seufzt) Da hab ich ja ein schönes Früchtchen zu betreuen! Die Erblords von heute sind auch nicht mehr, was sie einmal waren. Kein Respekt vor dem Alter. Im Übrigen könntet ihr ruhig ein wenig erschrecken. Schließlich bin ich so ne Art Schlossgespenst.

Edred (witzig, indem er sich an Elfrida festklammert)
Mami, Mami, ich fürcht mich so!

Maulwurf
Wenn du mich für ne Witzfigur hältst, war die Sache mit dem Helfen natürlich auch ein Scherz.

Elfi
Siehst du, er ist sauer, du verdirbst alles! 

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2


Entschuldigen Sie, Herr Maulwurf. Mein Bruder ist leider etwas vorlaut. Aber er ist gerade erst zwölf geworden und das ist bei Jungs ein ziemlich blödes Alter. Zu mir ist er auch immer so frech.

Edred (leise und prustend vor Lachen)
Aber der sieht doch so komisch aus, voll witzig!

Elfi (leise)
Reiß dich zusammen. (Laut zum Maulwurf) Lieber Herr Maulwurf, werden Sie uns zum Schatz führen?

Maulwurf
Nein!

Elfi / Edred (erschrocken)
Was? Warum denn nicht? Bitte, Bitte

Maulwurf
Weil ich es nicht kann.

Edred (leise zu Elfi)
Siehst du, ich hab gleich bemerkt, dass der nur ein Komiker ist. (Laut zum Maulwurf) Du kannst es nicht? Ich denke, du bist der große Helfer?

Maulwurf
Eben. Helfen kann ich euch. Finden müsst ihr ihn schon selbst. Der Zauber ist personengebunden. Nur der echte Erblord kommt an den Schatz ran. Nicht einmal ich.

Elfi
Und wie finden wir ihn und wo sollen wir suchen?

Maulwurf
Gehen wir logisch vor. Was machst du, wenn du etwas verloren hast und es wiederfinden willst? Sagen wir deinen Hausschlüssel?

Elfi
Ich denke darüber nach, wo ich ihn zuletzt benutzt habe.

Maulwurf
Das heißt, du versuchst an den Punkt zurückzugehen, wo der Gegenstand zuletzt noch da war, bevor er verschwunden ist.

Edred (leise)
So ein Klugscheißer! Der quatscht wie unser Mathelehrer (imitierend) "Gehen wir logisch vor ..."(Laut) Aber den Schatz haben wir doch gar nicht selbst verloren. Da können wir wohl schlecht darüber nachdenken, wo wir ihn hingelegt haben.

Maulwurf
Aber ihr könnt versuchen, herauszufinden, wo die ihn hingelegt haben, die ihn versteckt haben.

Edred (spöttisch)
Klar, wir reisen einfach in die Vergangenheit. 

Maulwurf
Logisch.

Edred (spöttisch)
Logisch! He, Elfi! Wirf schon mal die Zeitmaschine an. Wir müssen mal schnell runter ins Mittelalter. Mann, das ist doch schlechte Science Fiction. Zeitmaschinen, Wurmlöcher in der vierten Dimension. So ein Blödsinn!

Maulwurf
Wurmlöcher? Das ist allerdings Blödsinn. Tss! Ich hör wohl nicht recht. Du meinst wohl Maulwurflöcher! Und die gibt es in der Tat. Und mit meiner Art von Maulwurflöchern, die ich in langer wissenschaftlicher Arbeit entwickelt habe, kann man allerdings in der vierten Dimension reisen. Aber der Herr glauben ja nicht daran. Wissen alles besser, seine Lordschaft. Wurmlöcher! Tssss!

Edred
Tut mir Leid, aber das ist nun einmal der Fachausdruck, hab ich doch nicht erfunden.

Maulwurf
Dann sollte das schleunigst korrigiert werden.

Edred
Ist recht. Ich schreibe gleich ne E-Mail an Professor Stephen Hawking, wenn wir wieder aus dem Mittelalter zurück sind - falls die Maulwurflöcher halten, was ihr Erfinder verspricht.

Maulwurf
Und schreib diesem Ignoranten namens Hawking, er soll sich mal einen Wurm genau ansehen: Hinten Schwanz, vorne Schwanz - Kopf Fehlanzeige! Und wie soll ein Vieh ohne Kopf so etwas Kompliziertes wie Löcher in der Raumzeit erfinden? So, und nun sieh mich an: Ist dies nicht ein edles Haupt mit hoher Denkerstirn?

Edred
Ich sehe vor allem ne große Klappe!

Der Maulwurf verschwindet.

Elfi
Red, was hast du angestellt. Jetzt ist er weg, nur weil du so rotzfrech sein musst.

Edred
Ich kann nun mal Angeber nicht ausstehen.

Elfi
Aber wir brauchen doch seine Hilfe. Los, du musst dich entschuldigen.
 

Edred
Also gut. Entschuldigung. War nicht so gemeint.

Maulwurf (aus dem Off)
Gilt nicht.
Wenn der Buddler soll erscheinen, 
So bittet ihn mit feinen Reimen!

Edred (leise)
Auch das noch. O Mann ist das ein ...

Elfi (leise)
Red! Reiß dich zusammen! Mach lieber ein Entschuldigungsgedicht --- halt, ich hab schon eins:

Ach du weißes Buddeltier
Edred entschuldigt sich bei dir:

 

[...]


ERZÄHLER
Und nun weihte der Helfer von Arden die beiden in die Technik der Zeitreise ein, die er ausgeklügelt hatte. Eine günstige Voraussetzung war im Falle von Edred und Elfrida eine uralte Familientradition. Ihr werdet euch schon über die ungewöhnlichen Namen der beiden gewundert haben. Schon seit dem frühen Mittelalter war es in der Familie Arden üblich, wenn das erstgeborene Kind ein Mädchen war, es Elfrida zu nennen. So hieß nämlich eine hochwürdige Äbtissin eines Klosters, die der Familie große Ehre gemacht hatte. Wurde bald danach ein Junge geboren, bekam er den Namen Edred zu Ehren des jüngeren Bruders der Äbtissin, der ein tapferer Kreuzritter war. So gab es im Laufe der Geschichte immer wieder ein Geschwisterpaar mit den Namen Elfrida und Edred.

Wenn die zwei nun in die Vergangenheit reisen, können sie überall dort Station machen, wo ein solches Geschwisterpaar genau in ihrem Alter gelebt hat. Unsere Zeitreisenden tauchen dann für kurze Zeit in ihre Vorfahren ein, ohne dass es jemand bemerkt, und die beiden, in die sie sozusagen hineinschlüpfen, denken hinterher, sie hätten etwas Seltsames geträumt.

Maulwurf
Natürlich müsst ihr höllisch aufpassen, dass ihr keinen Unsinn redet, also ja nichts von Telefon, Computer oder Flugzeugen. Am besten überhaupt nicht viel sprechen, dafür Augen und Ohren auf! Lasst die anderen reden und passt euch an. Und bloß keine frechen Bemerkungen, Mylord. Die waren damals etwas strenger mit vorlauten Knaben und hatten noch nichts am Hut mit antiautoritärer Erziehung.

Edred
Wenn ich will, kann ich mich zusammenreißen. Aber wie funktioniert das nun eigentlich mit der Zeitreise?

Maulwurf
Schön, dass du fragst. Also  aufgepasst. Ihr springt in die Kiste dort. Sie hat keinen Boden und ihr fallt in das von mir installierte Loch in der Raumzeit. Ihr werdet ein Gefühl im Bauch haben, wie wenn ihr mit einem Hochgeschwindigkeitsfahrstuhl von einem Fernsehturm nach unten saust. Ihr müsst dabei unbedingt die Luft anhalten. Je länger ihr sie anhaltet, desto tiefer geht es in die Vergangenheit. Sobald ihr Luft holt, seid ihr angekommen. So (zeichnet eine sehr steile Parabel auf eine Tafel), das ist eure Fahrt in die Vergangenheit (fährt an der Kurve entlang) und so geht's wieder zurück.

Edred
Aha, eine Parabel also!

Maulwurf
Oha, gut aufgepasst in Mathe! Respekt! Dann weißt du auch sicher, wie dieser Punkt hier heißt.

Edred
Das ist der Ursprung, Fachbegriff: Origo!

Maulwurf
Perfekt. Und genau hier, im Bereich des Ursprungs - man kann ihn auch als Wendepunkt bezeichnen - verlangsamt sich der Zeitverlauf wieder auf das Normalmaß, und so habt ihr eine kurze Zeitspanne, an der ihr in der Vergangenheit verweilen könnt.

Elfrida
Und wie merken wir, wann es Zeit ist, wieder in die Kiste zu springen? Schließlich wollen wir ja um Gottes willen nicht in der Vergangenheit bleiben.

Maulwurf
Ich werde euch rufen, wenn es Zeit ist. Ihr macht dann bitte sofort die Augen zu, geht durch die Geheimtür und springt zurück in die Kiste. Das Gleiche macht ihr natürlich auch, wenn irgendeine Gefahr droht. Rin in die Kiste und schwupp seid ihr wieder in der Gegenwart. Alles klar?

Elfrida / Edred ( begeistert)
Alles klar

Elfi
Und was müssen wir mitnehmen?

Maulwurf
Nichts. Für Ausflüge in die Vergangenheit gibt's nur Pauschalreisen mit Vollpension - all inclusive! Dann mal los! Alles einsteigen und nicht vergessen: Luft anhalten.

Edred (betont höflich zu Elfi)
Bitte Elfi, du zuerst.

Elfi
Wer ist denn hier der Erblord?

Edred
Erstens haben Damen den Vortritt und zweitens bist du die Ältere.

Elfi
Typisch Mann! Wenn's brenzlig wird, erinnern sich die Herren der Schöpfung plötzlich an die Anstandsregeln. Nun gut, Frauen sind nun mal die Mutigeren!

Elfi steigt in die Kiste, Edred folgt ihr. Man hört ein lautes Pfeifen, das schnell abklingt.

 

Anfang der 7. Szene

3

7. Szene

Das Zimmer ist dasselbe, aber die Möbel sind vornehmer. Die Kleider der Personen sind altertümlich, sie wirken vornehm, aber ziemlich streng und steif. Edred und Elfrida in verwandelter Gestalt.

Edred (schnaufend)
Mann, ist mir schlecht! Ich hätte beim Start tiefer Luft holen sollen!

Elfi (sich suchend umsehend)
Bist du das, Red? (Bemerkt ihn) Meine Güte, wie siehst du denn aus?

Edred
Und du erst! Und mit diesen ulkigen Klamotten! Du bist ja noch hässlicher als früher!

Elfi
Als später meinst du! Wir sind doch jetzt in der Vergangenheit. Immerhin merke ich an deiner Unverschämtheit, dass du es wirklich bist - so frech kann nur mein Bruderherz sein. Dein Vorgänger, in dem du steckst, sieht allerdings eine Spur intelligenter aus.

Edred
An dieser ekelhaften Gemeinheit merke ich, dass du mein süßes Schwesterlein bist. Aber wo in der Vergangenheit sind wir denn gelandet?

Elfrida (nimmt eine Zeitung vom Tisch )
Schau, da steht was von Napoleon. Und hier, das Datum. 10. März 1806 - Hey, wir sind am Anfang des 19. Jahrhunderts - 200 Jahre vor unserer Zeit.

Edred
Meinst du, das ist tief genug in der Vergangenheit? Der olle Lord, der den Zettel mit dem Zauberspruch geschrieben hat, lebte doch viel früher.

Elfrida
Das ist richtig. Den Schatz selbst werden wir hier wahrscheinlich nicht zu Gesicht bekommen. Aber wenn wir schon mal hier sind, können wir vielleicht ein paar Informationen bekommen, die uns weiterhelfen.

Edred
Und wer ist Napoleon? So weit sind wir in Geschichte noch nicht.

Elfi
Psst! Da kommt wer!

Mr. Stern (kommt mit Betty)
Eure Lordschaften! Gemäß meinen Anweisungen solltet ihr Shakespeares Sonett Nr. 56 präparieren. Stattdessen werden geheime Reden geführt. Als Euer Hauspräzeptor weise ich dringend darauf hin, dass ich Disziplin, Fleiß und Konzentration auf das Lernpensum erwarten darf und autorisiert bin, jede Unbotmäßigkeit sofort seiner Lordschaft, Eurem Herrn Vater zu vermelden habe.

Edred
Verzeihung, ich habe meine Schwester nur gefragt, wer Napoleon ist.

Mr. Stern
Aber Master Edred, leidet Ihr unter Gedächtnisverlust? Vor drei Tagen war die aktuelle politische Lage Gegenstand unserer Geschichtslektion. Anscheinend wart ihr mit den Gedanken wieder einmal draußen bei den Pferden und Hunden! Nehmt euch ein Beispiel an Eurer Cousine Miss Betty! Erklären sie es ihm, meine Liebe!

Betty (spult ab)
Napoleon Buonaparte, geboren 1769 auf der Insel Korsika, krönte sich am 2. Dezember 1804 in der Kathedrale Notre Dame zu Paris selbst zum Kaiser

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4

der Franzosen. Er hat fast den gesamten europäischen Kontinent unter seine Macht gebracht und ist derschlimmste Feind der Freiheit und unseres freien England. In der Schlacht von Trafalgar gelang es Admiral Nelson Napoleons Flotte vernichtend zu schlagen, worauf dieser mit der Kontinentalsperre antwortete um unser freies England in die Knie zu zwingen, was ihm aber niemals gelingen wird dank der Wachsamkeit ...

Lady Arden
Mr. Stern!
Ich sehe, hier wird fleißig gearbeitet. Ich muss Sie aber dringend ersuchen, die Lektion sofort abzubrechen. Mein Gatte wird gleich erscheinen. Er wünscht, dass sich die gesamte Familie aus dringlichem Anlass zu einer Besprechung an der Speisetafel versammelt.

Edred (leise zu Elfi, während die anderen am Tisch Platz nehmen)
Ich krieg die Motten, die reden vielleicht geschwollen! Ich kapier nur die Hälfte.

Elfi
Wir halten besser den Mund, sonst blamieren wir uns und die merken noch was!

Mrs Lovell, die aussieht wie Mrs. Honeysett, serviert Getränke.

Edred
Schau Elfi, da ist ja Mrs Honeysett!

Mrs Lovell (steckt den Kindern Gebäck zu - leise)
Probiert mal, die Kekse kommen eben aus dem Ofen.  

Elfi
Danke, Mrs. Honeysett!

Mrs. Lovell
Honeysett?
Tss! Ihr immer mit Euren Späßen!

Lady
Mr. Stern!
Sie sollen den Kindern doch gute Manieren beibringen! Bei Tisch wird nicht geredet und schon gar nicht geflüstert! Nur Erwachsene haben das Wort! Auch Sie Mrs. Lovell sollten mit gutem Beispiel vorangehen!

Mr. Stern
Ich bedaure sehr, Mylady! Die Kinder sind heute von einer ungewöhnlichen Unbotmäßigkeit: Ich kenne sie so gar nicht. Gerade eben musste ich sie bereits diesbezüglich ermahnen. Außerdem ist seine junge Lordschaft häufig zerstreut, sodass er den Lernstoff nicht erfasst.

Betty
Edred wusste nichts mehr von der Geschichtsstunde von vorgestern. Ich musste ihm alles, was wir über den Erzfeind Napoleon gelernt hatten, noch einmal erklären.

Edred (leise zu Elfi)
So ne blöde Petze! (Elfi gibt ihm einen Rippenstoß)

[...] 

Ausschnitte aus den Szenen 8 - 10

5

8. Szene

ERZÄHLER
[...] Sie sprangen also wieder in die Kiste und hielten die Luft an. Etwas länger diesmal. Aber es gab Komplikationen, denn nur Elfi kam an, und noch dazu in einer sehr heiklen Situation. Aber seht selbst:

18.Jahrhundert: Lady Arden und Dick stützen die noch halb bewusstlose Elfrida und betten sie auf ein Sofa . Betty geht wütend auf und ab.

Lady Arden
Das arme Kind. Dass dieser Unmensch sie auch so misshandeln musste! Wo sie doch solche Angst vor Pferden hat. Und dann auch noch die Pistole.

Dick
Ich lasse sofort den Arzt rufen. (Ab)

Betty
Pech für Elfi, dass sie gerade die Halskette trug. Wäre der Überfall zehn Minuten früher gewesen, hätte  ich sie noch um den Hals gehabt und er hätte mich entführt. Aber das eitle Wesen wollte ja unbedingt ausprobieren, wie sie einmal als Braut aussehen wird. Na ja, ich bin froh, dass ich die altmodischen, schweren Klunker loshabe. Sie würgen einem richtig  die Luft ab.

Lady Arden
Aber Betty, du bist so unromantisch. Es ist doch eine Ehre, unseren Familienbrautschmuck tragen zu dürfen. (Elfrida seufzt im Schlaf) Ach die Ärmste! Der Schock wird sie krank machen. Hoffentlich ist der Arzt bald hier.  

Betty
Mein liebes Kusinchen
ist leider etwas zu sensibel. Sie sollten Sie nicht so verzärteln, liebe Tante.

Lady Arden
Ich weiß, du bist da ganz anders, liebe Nichte. Mir scheint fast, der Überfall auf unsere Kutsche war für dich weniger schockierend als vielmehr ein Abenteuer.

Betty
Ein Abenteuer? Das nun nicht gerade! Da stelle ich mir schon etwas Erfreulicheres vor. Es  ist schlicht und einfach ein Skandal. Schließlich leben wir ja nicht im Mittelalter, sondern im Jahre 1707 unter der Regierung ihrer christlichen Majestät Queen Ann und werden am helllichten Tag von einem Straßenräuber überfallen. Skandal, sage ich! (Zu Dick, der zurückkommt) Und mein Bruderherz schaut einfach zu. Anscheinend hält er seinen Degen für ein Schmuckstück, dieser Ritter von der traurigen Gestalt.

Dick
Was hätte ich denn tun sollen? Gegen eine Pistole kann ich mit dem Degen doch nichts ausrichten, am Ende hätte ich noch die arme Elfi verletzt, er hat sie ja gleich als lebenden Schutzschild benutzt.

Lady Arden
Schon gut, Dick, ich bin dir sogar sehr dankbar, dass du nichts unternommen hast. Gegenwehr hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Ich bin schon so fast gestorben, als dieser Unhold meine kleine Elfi aus der Kutsche zerrte, sie vor sich aufs Pferd setzte und ihr die Pistole an die Schläfe hielt. Gott sei Dank wollte er nur den Schmuck und nichts Schlimmeres.

Elfrida (spricht im Schlaf)
Edred, Edred, wo, wo bist du, Red ...

Lady Arden
Die Ärmste träumt von ihrem kleinen verstorbenen Brüderchen, das schlimme Erlebnis hat das alte Leid aus ihrer Kindheit wieder wachgerufen. Sie hat den Verlust nie ganz verschmerzt. Damals, während seiner Krankheit, saß sie die ganze Zeit an seinem Bettchen, und als das Kind dann gestorben war, hat sie tagelang nicht gegessen und wollte nicht aufhören zu weinen.

Betty
Ich sage ja, sie ist einfach zu verzärtelt, Tante. Es ist ihr doch nichts Ernsthaftes passiert. Und bei aller Frechheit war der Kerl ja noch geradezu höflich. „Keine Angst, meine Damen, wenn Sie tun, was ich sage, wird Ihnen nichts geschehen.“ Klang nicht gerade nach den Umgangsformen eines Straßenräubers.

Dick
Irgendwie merkwürdig war der Kerl schon. Die Stimme kam mir bekannt vor, obwohl er sie offensichtlich verstellt hat. Und außerdem: Die Kutsche war voller Kostbarkeiten. Bettys ganzer Brautschatz. Und was nahm er mit? Nur diese alte Halskette. Als hätte er gewusst, dass ihr Wert vor allem in der Familientradition liegt.

Betty (amüsiert)
Und damit hat er mir noch einen Gefallen getan. Nun kann ich wenigstens etwas Schickeres zur Hochzeit tragen als dieses geschmacklose Monstrum.

Lady Arden
Aber Betty! So kannst du doch nicht von unserem uralten Familienschmuck sprechen. Es ist eines der schönsten Stücke aus dem sagenhaften Schatz von Arden, das einzige, das noch übrig ist, seit der Schatz verloren ging. Das Collier geht seit Jahrhunderten von Braut zu Braut über, ohne es hat seit Menschengedenken keine Hochzeit in unserer Familie stattgefunden. Auch ich habe es getragen – und nun ist es weg für immer, ich kann es noch gar nicht fassen.

Betty
Mein Bräutigam, Lord Kirkby, ist reich genug um endlich einen neuen Familienschmuck anfertigen zu lassen, etwas Modisches, Elegantes, bei dem man sich nicht genieren muss, es anzulegen.

Dick
Ich werde jedenfalls das Gefühl nicht los, dass es kein richtiger Straßenräuber war. Irgendetwas stimmte nicht, ich weiß nur nicht was.

Lady Arden
Dick hat Recht. Sein Gesicht war ja hinter der Maske versteckt, aber habt ihr euch seine Hände angesehen?

Betty
Also dazu war ich nun doch zu aufgeregt. Schließlich hat er mir mit der Pistole direkt vor der Nase herumgefuchtelt. Mir läuft es immer noch eiskalt über den Rücken, wenn ich daran denke, dass ich dem Tod direkt ins Auge gesehen habe.

Dick
Also, was war mit seinen Händen, Tante?

Lady Arden
Nun, sie waren so gepflegt, so feingliedrig, fast weiß – jedenfalls waren es keine Straßenräuberhände. Ich glaube kaum, dass solche Leute täglich ihre Hände waschen und Maniküre betreiben. Das waren Kavaliershände, wenn ihr mich fragt!

Dick
Außerdem hat es in unserer Gegend seit Jahren keine Überfälle mehr gegeben. Aber wer könnte so etwas tun? Und gar noch jemand aus guten Verhältnissen? Das wollten Sie doch andeuten, liebe Tante.

Lady Arden
Mir fällt da nur Talbot ein. Vielleicht wollte er sich rächen, weil du nun einen anderen Mann heiratest. Schließlich war er doch über beide Ohren verliebt in dich, Betty. Wir alle haben eigentlich erwartet, dass ihr beide ein Paar werdet.

Dick
Er soll völlig außer sich gewesen sein, als er von deiner Heirat gehört hat.

 

[...]

 

9. Szene

[...]

Talbot
... Ihr seid ganz anders, als ich Euch bislang kannte. Bisher wart Ihr für mich die kleine Kusine der reizenden Betty, aber als ich Euch eben das Collier umlegte ...

Elfrida
Wieso habt Ihr das eigentlich getan?

Talbot
Weil ich nichts mehr mit meiner Beute anfangen konnte, nachdem mir klar war, dass Betty mich nicht 

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6

liebt. Als ich Euch da liegen sah, dachte ich, ich bringe die Kette einfach wieder dorthin, von wo ich sie weggenommen hatte, dann mache ich mich auf und davon und alles ist vorbei. Aber als ich Euch ansah, da ... (schweigt verlegen)

Elfrida
Da???

Talbot
Nun da, ... da fiel mir auf, dass Ihr ...na ja ... dass ihr sehr hübsch aussaht, und seit wir miteinander sprechen, da weiß ich auch wie klug Ihr seid, und wenn ich Euch in die Augen sehe, da sehe ich , dass Ihr auch ein warmes Herz habt. Ich verstehe nicht, wie ich das die ganze Zeit nicht  bemerkt habe, Ihr kommt mir wie verwandelt vor, wie eine ganz andere Elfrida.

Elfrida  
Oje, das klingt ja, als ob Ihr vorhättet, Euch in mich zu verlieben.

Talbot
Ich fürchte, das ist gerade passiert.

Elfrida
Dann schlagt es Euch sofort wieder aus dem Kopf, oder wollt Ihr nach der einen Enttäuschung gleich die nächste erleben? Ich bin nämlich viel zu jung für Euch.

Talbot
Ich kann warten. Ein, zwei, drei, fünf Jahre – solange Ihr wollt.

Elfrida
Es geht nicht um ein paar Jahre, sondern um ein paar Jahrhunderte.

Talbot
Bitte? Ich fürchte, Euer Verstand hat leider doch etwas gelitten, ärmste Elfrida.

Elfrida (Seufzt)
Nun muss ich Euch wohl doch reinen Wein einschenken. Ich bin tatsächlich eine ganz andere Elfrida. Ich komme aus dem 21. Jahrhundert und werde auch gleich wieder dorthin zurückkehren. Dann wird Elfrida wieder so sein, wie Ihr sie kennt. In sie müsst Ihr Euch verlieben.

Talbot
Ich werde es versuchen, aber ich fürchte, es wird mir nicht gelingen, ich werde immer die Elfrida aus dem 21. Jahrhundert in ihr suchen. Aber wie kann denn das sein, dass plötzlich eine Elfrida aus der Zukunft hier erscheint?

Elfrida
Es hat etwas mit Zauber und Wissenschaft zu tun. Mein Bruder und ich werden vom großen Helfer des Hauses Arden unterstützt, er hilft uns den großen Schatz zu suchen. Wisst Ihr etwas von ihm?

Talbot
Den Schatz von Arden? Der gilt schon lange als verloren. Keiner kümmert sich mehr darum. Es heißt, zur Zeit König James I, das ist jetzt genau hundert Jahre her, habe der damalige Lord Arden zum letzten Mal den Schatz gesehen, als er einige wertvolle Stücke daraus holte, um sich vor der Verhaftung zu retten. Es waren schlimme Zeiten, damals. Man sagt, dass er das Geheimnis mit ins Grab genommen hat.

Elfrida
Stimmt nicht ganz, denn vorher hat er noch einen Brief verfasst und mein Bruder und ich haben ihn gefunden. (Der Maulwurf erscheint und gibt Elfrida das Zeichen, dass es Zeit ist) Ihr habt mir sehr geholfen, lieber Talbot, und ich würde gerne bei Euch bleiben, weil ihr so nett seid, aber ich muss sofort zurück in die Zukunft. Bitte lasst mich allein. Ihr müsst nun wieder die Augen schließen.

Talbot
Nur unter einer Bedingung?

Elfrida
Und die wäre?

Talbot
Dass ihr zuerst kurz die Augen schließt!
(Er küsst sie)

Elfrida
Aber jetzt macht Ihr die Augen zu! (Sie schiebt ihn aus dem Zimmer durch die Geheimtür und springt in die Kiste)

 

10. Szene

Edred sitzt im Hintergrund und liest in der „Historia“. Plötzlich steigt  Elfrida aus der Kiste. Einen Moment sitzt sie  mit verträumtem Gesichtsausdruck vor der Kiste, dann schreckt sie auf und schaut sich um. 

Elfrida  (stürzt auf Edred zu und umarmt ihn)
Reddy, ich hab dich so vermisst!

Edred
Wo kommst du denn her, ich dachte schon, du wärst in der Vergangenheit verschütt gegangen. Bei mir hat es nämlich nicht geklappt. Als ich in die Kiste sprang, machte es plötzlich flutsch, und ich war wieder da.

Elfrida
Ich weiß sogar , warum. Dein Vorfahre im 18. Jahrhundert ist nämlich schon tot gewesen. Der kleine Edred von damals starb an einer Krankheit und daher konntest du nicht landen. (Zeigt auf das Buch) Du scheinst dich ja inzwischen zur Leseratte zu entwickeln. Und seit wann kannst du Latein?

Edred
Das Buch ist nur am Anfang in Latein geschrieben. Und weil ich mich gelangweilt habe, habe ich ein wenig darin gestöbert. Ich dachte ich würde vielleicht noch etwas über den Schatz finden.

Elfrida
Und?

Edred
Fehlanzeige.

Elfrida
Aber ich habe etwas Wichtiges erfahren. Wir müssen noch ein Jahrhundert weiter zurück. Dann treffen wir den Lord, der den Zettel verfasst hat, den wir im Buch gefunden haben. Er hat als letzter den Schatz gesehen.

Edred
Und woher weißt du das?

Elfrida
Von einem gewissen Talbot, einem Nachbarn der Ardens. Ein bisschen verrückt, (verträumt) aber sehr, sehr nett.

Edred
Talbot? Von dem habe ich gerade gelesen. Der soll im Schloss eingebrochen haben, es gab eine große Verfolgungsjagd, doch bevor man ihn erwischen konnte, soll er auf mysteriöse Weise durch die Wand verschwunden sein und von diesem Tag an wurde er nie wieder gesehen. Klingt irgendwie nach unserer Geheimtür, oder?

Elfrida
Gut möglich, aber das erzähle ich dir ein anderes Mal. Jetzt gibt es Wichtigeres zu tun. Wir müssen runter ins 17. Jahrhundert – was starrst du mich denn so an?

Edred (zeigt auf die Kette an Elfridas Hals)
Hey, wo hast du denn die geklaut.

Elfrida
Die hatte ich ja ganz vergessen. Das ist der Hochzeitsschmuck der Ardens. Talbot hat ihn mir angelegt.

Edred (pfeift durch die Zähne)
Oha! Klingt ja nach Love-story! Was hast du denn getrieben im 18. Jahrhundert, liebe Elfi? Man kann dich doch nicht alleine lassen.

Elfrida (zieht die Kette aus und versteckt sie)
Quatsch nicht so blöd. Die Kette können wir vielleicht noch gut gebrauchen. Los hol deine neue Digitalkamera und hänge sie dir um den Hals.

Edred
Wieso denn das?

Elfrida
Wenn die Kette durch die Zeit transportiert wurde, muss das auch mit anderen Gegenständen funktionieren, wenn man sie direkt am Körper trägt. Vielleicht können wir den Ort fotografieren, wo der Schatz liegt. Los beeil dich, und dann ab in die Kiste.  

Ausschnitte aus den Szenen 13 - 15

7

13. Szene 

Elfrida
Lieber Maulwurf, wir sind am Ende,
Reiche du uns deine Hände.
Unsere Suche nach dem Schatz
War leider, leider für die Katz.

Maulwurf (erscheint)
Welch elegischen Töne dringen an mein Ohr. Also, wie ist der Stand der Dinge, meine Herrschaften?

Edred
Total besch… scheiden! Das Foto ist grau, nichts zu erkennen.

Maulwurf (schaut sich das Foto an)
Merkwürdig. Sieht nicht nach technischem Defekt aus. Eher wie Nebel. Recht gespenstig, würde ich mal sagen.

Elfrida
Und wie erklärst du dir die Sache?

Maulwurf (nachdenklich)
Tja, sieht schlecht aus für euch. Es muss die Einwirkung des Zaubers sein, der auf dem Schatz liegt. Und da gibt es nur eine plausible Erklärung: Edred hat kein Recht auf den Schatz, will heißen, dass er nicht der rechtmäßige Erblord ist.

Edred
Bin ich aber! Frag den Notar, der hat es doch vorgelesen!
 

Maulwurf
Glaub ich dir ja. Aber die Fakten sprechen dagegen. Vielleicht ist in der langen Zeit irgendein juristischer Fehler unterlaufen. Man müsste in der Familienchronik nachforschen. 

Elfrida (greift nach dem Buch)
Genau das tue ich jetzt. (Vertieft sich in die Lektüre)

 

[...]

 

Elfrida (aufgeregt)
Ich hab’s! Ich habe herausgekriegt, wer der richtige Erbfolger ist.

Edred (schaut in das Buch)
Zeig her!

Elfrida
Nicht im Buch, (schlägt sich an die Stirn) hier! Du, Edred, bist zwar ein Erblord, aber du bist noch nicht an der Reihe.

Maulwurf
Hättet Ihr die Güte, meine Liebe, Euch etwas deutlicher zu äußern?

Elfrida
Unser Vater lebt! Er ist der rechtmäßige Erbfolger. Ich habe es doch die ganze Zeit gefühlt.

Edred
Du bist genial, Elfi!

Maulwurf
Kompliment. Darauf hätte ich eigentlich auch kommen müssen. Ich muss zugeben, dass ich im Moment intellektuell nicht ganz auf der Höhe war.

Edred
Du kannst das sofort wieder wettmachen. Ist es möglich, die Zeitkiste so umzubauen, dass man damit nicht nur in eine andere Zeit, sondern auch an einen anderen Ort kommt? 

Maulwurf
Nun, das ist natürlich wahnsinnig kompliziert. Kleinere Raum-Zeitschleifen sind mir zwar schon gelungen, aber nur im Experimentstadium. Wo soll’s denn hingehen?

Elfrida
In den kolumbianischen Dschungel. Vater wurde dort vor ungefähr anderthalb Jahren entführt.

Maulwurf (zeichnet mit dem Finger ein Koordinatenkreuz und eine Hyperbel in die Luft)
Auweia! Minimaler Zeitparameter bei maximaler Raumdistanz – ergibt eine extrem flache hyperbolische Flugbahn.

Edred
Und was bedeutet das praktisch?

Maulwurf
Eine fast unlösbare Navigationsaufgabe. Ich müsste mitkommen und von Hand steuern. Wenn nur das Geringste schief geht, landen wir irgendwo im Bereich unendlich.

Elfrida
Egal, wir müssen es riskieren! (Holt den alten Familienschmuck und legt ihn an) So, das nehmen wir mal mit, für alle Fälle. Los, rein in die Kiste!

Maulwurf (ächzt beim Einsteigen)
Was für ein Stress, und das in meinem zarten Alter von neunhundertdreiundvierzig Jahren! Ich hätte bei der Konstruktion der Kiste doch etwas mehr den Faktor Komfort beachten sollen.

 

 

 

 

 

14. Szene

Im Dschungel. Edred und Elfrida schleichen an eine Hütte heran.

Edred (flüsternd)
Versuch durchs Fenster zu schauen, ich stehe Schmiere. Kannst du etwas erkennen?

 

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8

Roberto hat sich von hinten herangeschlichen und ihm die MP in den Rücken gedrückt.

Elfrida (flüsternd)
Es ist so dunkel, aber jetzt erkenne ich einen Mann, ja er könnte es sein – Hallo ---(Roberto hat ihr von hinten die Hand auf den Mund gepresst; er führt die beiden beiseite) 

Vater (aus dem Innern der Hütte)
Roberto, bist du das? Ich bin am Verdursten, bring mir Wasser. Roberto?
 

Elfrida 
Hast du gehört Reddy, das war seine Stimme.

Roberto 
Scht, nicht sprechen! (In Richtung Hütte - laut) Gleich kommen Abendessen, Mister, jetzt keine Zeit. (Führt die beiden beiseite) So, hier dürfen sprechen. Was hier machen, Kinder, verboten hier herumschleichen. Wie kommen hier her?

Elfrida
Das – das können wir nicht sagen – es ist ein Geheimnis, Zauber und so!

Roberto (belustigt)
Ah, Zauber, Geheimnis! Verstehen. Kinder machen lustige Spiel. Aber sehr gefährliche Spiel. Wenn Capitan kommen, nehmen gefangen. Müssen bezahlen viel Geld. Lösegeld. Claro? Verstehen?

Edred
Aber wir haben gar kein Geld.

Roberto
Papa, Mama müssen bezahlen Lösegeld, sonst Capitan töten!

Elfrida
Unsere Mama ist tot.

Roberto
Mama tot? Traurig. Arme Kinder! (Streicht ihnen mitleidig über das Haar) Dann Papa müssen zahlen Lösegeld.

 

[...]

 

 

15. Szene

[...]

Vater tritt herein – beide stürzen auf ihn zu – großes Umarmen.  

Mrs. Honeysett (schenkt Tee ein)
Bitte Platz nehmen, meine Herrschaften, der Tee wird kalt.

ERZÄHLER
So hatten die beiden doch noch ihren Schatz gefunden. Beim Teetrinken lauschten alle der spannenden Erzählung des Vaters, wie er sich mit einem seiner Wächter angefreundet hatte, wie sie eines Nachts geflohen waren und sich monatelang durch den Dschungel geschlagen hatten, wie sie in Bogota eine wertvolle Halskette zu Geld gemacht hatten, die der Guerillero von einer verstorbenen Tante geerbt hatte. An dieser Stelle musste Elfrida wieder einmal Edred in die Seite boxen, weil dieser gerade dazu ansetzte, laut loszulachen. Mit dem Geld und mit Hilfe eines guten Freundes des ehemaligen Guerilleros, hatten sie falsche Pässe bekommen und waren glücklich über die Grenze nach Ecuador gelangt. In der Hauptstadt Quito hatte Vater einen guten Freund, der bei einer Bank arbeitete und ihm dabei behilflich war, an sein Konto heranzukommen. Das war gar nicht so leicht, denn die Entführer hatten ihm ja seinen richtigen Pass weggenommen. Vater hatte mehrmals versucht, bei Edith anzurufen, aber es sei nie jemand da gewesen, er hatte ja keine Ahnung, dass sie nun in dem alten Schloss wohnten. Und deshalb hatte er kurz vor seinem Abflug das Telegramm geschrieben.

Auch das sei erst nach Umwegen zugestellt worden, erklärte Edith, bis nämlich ein Postangestellter, den sie gut kannte, sich daran erinnerte, dass sie den Sommer über eine andere Adresse hat. Und so war das Telegramm doch noch rechtzeitig ins Schloss gelangte, so dass es Edith schaffte, Vater bei seiner Ankunft vom Flughafen abzuholen. 

Vater
Und ihr seid jetzt richtige Schlossherren geworden.  

Edred
Genauer gesagt: Ich bin der Schlossherr!
My home is my castle, äh, my home is a castle, äh this castle is my home, beziehungsweise ... 

Elfrida
Denkste, das war einmal! Du weißt genau, dass Vater nun der rechtmäßige Erbfolger ist.

[...]

 

Schlussszene

9

 16. SZENE

ERZÄHLER
Die Sache mit der Heiratsvermittlung schien gar nicht so aussichtslos. Edith war richtig rot geworden, wie Elfrida mit weiblichem Scharfblick entdeckt hatte, und Vater schien auch nicht abgeneigt, man musste den beiden aber noch etwas Zeit geben, und Elfrida meinte zu Edred, es sei am besten, nichts mehr davon zu erwähnen, die Sache würde sich schon von alleine entwickeln. Damit wäre unsere Geschichte bei einem tollen Happy End angelangt, aber wir wollen uns doch noch in ein Gespräch einblenden, das die beiden am nächsten Tag führten.

Elfrida
Ich habe versucht durch die Geheimtür zu gehen – es funktioniert nicht mehr.

Edred
Ich habe sowieso den Verdacht, dass wir das alles gar nicht wirklich erlebt haben. Das heißt, irgendwie war es schon wirklich und andererseits doch nicht, so etwas zwischendrin – virtual reality eben, wie der Maulwurf sagte.

Elfrida
Es muss mit der Schlossatmosphäre zu tun haben, sie regt ganz schön die Fantasie an.

Edred
Auf jeden Fall weiß ich, dass ich einmal Geschichte studieren werde. Ich dachte immer das wäre das 

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10

 

trockenste Fach der Welt, aber wenn man mal selbst dabei war, merkt man erst, wie spannend Geschichte ist. Ich fand’s verdammt aufregend.

Elfrida
Und romantisch war es auch. Was wohl aus dem armen Talbot geworden ist? Warum er bloß verschollen ist, damals? Hoffentlich ist ihm nichts passiert. Wenn es ginge, würde ich noch einmal ins 18. Jahrhundert zurückfahren.

Edred
Nein, bitte nicht! Nicht schon wieder eine Rettungsaktion!

Talbot
Nicht nötig.

Elfrida
Talbot! Wo kommst du denn her?

Talbot
Aus der Kiste natürlich!

Elfrida und Talbot fallen sich in die Arme. Im Hintergrund wird grinsend der weiße Maulwurf sichtbar. 

Maulwurf (auf Elfrida zeigend)
Nun hat sie ihn doch noch bekommen, ihren Schatz aus dem Schloss der Vergangenheit.

ENDE

 

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