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KABALE UND LIEBE      -      LESEPROBE 

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Friedrich
Schiller

 

Kabale und Liebe 

Ein bürgerliches Trauerspiel in fünf Aufzügen

 

Personen

PRÄSIDENT von Walter, am Hof eines deutschen Fürsten 

Ferdinand, sein Sohn, Major

HOFMARSCHALL von Kalb

Lady Milford, Favoritin des Fürsten 

Wurm, Haussekretär des Präsidenten

miller, Stadtmusikant

luise, dessen Tochter

FRAU MILLER

sophie, Kammerjungfer der Lady

EIN KAMMERDIENER

VERSCHIEDENE NEBENPERSONEN

 

AUSZÜGE AUS DEM ERSTEN AKT


1. AKT /
Erste Szene

MILLER, FRAU MILLER

 Zimmer beim Musikus. MILLER steht eben vom Sessel auf und stellt sein Violoncello auf die Seite. An einem Tisch sitzt FRAU Millerin noch im Nachtgewand und trinkt ihren Kaffee.

MILLER (schnell auf und ab gehend)
Einmal für allemal. Der Handel wird ernsthaft. Meine Tochter kommt mit dem Baron ins Geschrei. Mein Haus wird verrufen. Der Präsident bekommt Wind, und - kurz und gut, ich verbiete dem Junker mein Haus.

FRAU
Du hast ihn nicht in dein Haus geschwatzt – hast ihm deine Tochter nicht nachgeworfen.

MILLER
Ich war Herr im Haus. Ich hätt auf meine Tochter mehr aufpassen sollen. Ich hätt dem Major besser auftrumpfen sollen - oder hätt gleich alles Seiner Exzellenz dem Herrn Papa stecken sollen.

FRAU (schlürft eine Tasse aus)
Possen! Geschwätz! Wer kann dir was anhaben?

MILLER
Aber, sag mir doch, was wird bei dem ganzen Liebeshandel denn auch herauskommen? - Nehmen kann er das Mädel nicht - Vom Nehmen kann gar keine Rede sein. Und dass meine Tochter zu einer --- dass Gott erbarm! --- wird - Guten Morgen! Gib du acht! Gib du acht! Und wenn du aus jedem Astloch ein Auge strecktest und vor jedem Blutstropfen Schildwache ständest, er wird dem Mädel ein Kind hinsetzen, macht sich aus dem Staub und das Mädel ist verschimpfiert auf ihr Leben lang, bleibt sitzen, oder hat’s Handwerk verschmeckt, treibt’s fort -  (Schlägt die Faust vor die Stirn) Jesus Christus!

FRAU
Gott behüt uns in Gnaden!

MILLER
Wir haben sie zu behüten. Worauf kann so ein Windfuß es wohl sonst abgesehen haben? – Das Mädel ist schön - schlank – wohlgebaut - unterm Dach mag’s aussehen, wies will. Darüber guckt man bei euch Weibsleuten weg, wenn’s nur der liebe Gott parterre nicht hat fehlen lassen (gibt ihr einen Klapps, sie kreischt auf) und – ich verdenk’s dem jungen Baron auch gar nicht. Mensch ist Mensch. Das muss ich wissen.

FRAU 
Solltest nur die wunderhübsche Billetter lesen, die der gnädige Herr an deine Tochter als schreiben tut. Guter Gott! Da sieht man’s ja sonnenklar, wie es ihm nur um ihre schöne Seele zu tun ist.  

MILLER (lacht höhnisch)
Auf den Sack schlägt man - den Esel meint man. Wer einen Gruß an das liebe Fleisch zu bestellen hat, darf nur das gute Herz Boten gehen lassen.

FRAU
Sieh doch nur erst die prächtigen Bücher an, die der Herr Major ins Haus geschafft haben. Deine Tochter betet auch immer draus.

MILLER (pfeift)
Hui da! Betet! Ins Feuer mit dem Quark. Da saugt mir das Mädel - weiß Gott was für überhimmlischen Firlefanz ein. [Nimmt zwei Bücher und zitiert mit hämischer Stimme:“ Emilia Galotti. Ein Trauerspiel von Gotthold Ephraim Lessing, Johann Wolfgang Goethe, Die Leiden des jungen Werthers“ – schmettert die Bücher wütend auf den Tisch] Der Schund wirft mir die Handvoll Christentum noch ganz auseinander, die der Vater mit knapper Not noch zusammenhielt. Ins Feuer sag ich. Das Mädel setzt sich all das Teufelszeug in den Kopf; über all dem Herumschwänzen in der Schlaraffenwelt schämt es sich am Ende, dass sein Vater Miller der Geiger ist. Nein! Gott verdamm mich. (Er springt auf, hitzig) Gleich muss die Pastete auf den Herd, und dem Major – ja, ja dem Major will ich weisen, wo Meister Zimmermann das Loch gemacht hat. (Er will fort) 

FRAU 
Sei artig, Miller. Wie manchen schönen Groschen haben uns, nur die Präsenter eingebracht, die der Herr Major unsrer Tochter geschenkt haben ... 

MILLER (kommt zurück und bleibt vor ihr stehen)
Das Blutgeld meiner Tochter? - Scher dich zum Satan, infame Kupplerin! - Eher will ich mit meiner Geige als Bettler herumziehen,  - eher will ich mein Violoncello zerschlagen und Mist im Resonanzboden fahren, eh ich mir’s schmecken lass von dem Geld, das mein einzig Kind mit Seel und Seligkeit abverdient. - Stell den vermaledeiten Kaffee ein, und das Tobakschnupfen, so brauchst du deiner Tochter Gesicht nicht zu Markte zu tragen.

FRAU
Nur nicht gleich mit der Tür ins Haus. Wie du doch den Augenblick gleich in Feuer und Flammen stehst! Ich sag ja nur, man müsse den Herrn Major nicht disguschtüren -

MILLER
Disgusch-was? 

FRAU 
Dischgustieren

MILLER
Red du lieber deutsch ... disgüschdieren – pah!

FRAU
Ich mein halt, man darf Ihro Gnaden nicht vor den Kopf stoßen, weil Sie des Präsidenten Sohn sind.

MILLER
Da liegt der Has im Pfeffer. Darum muss die Sach noch heut auseinander. Du wirst mir meinen Rock ausbürsten, und ich werde mich bei Seiner Exzellenz anmelden lassen. Ich werde sprechen zu Seiner Exzellenz: Dero Herr Sohn haben ein Aug auf meine Tochter; meine Tochter ist zu schlecht zu Dero Herrn Sohnes Frau, aber zu Dero Herrn Sohnes Hure ist meine Tochter zu kostbar, und damit basta! - Ich heiße Miller.

FOTO 1: Miller und Frau mit Sekretär Wurm

 

1. AKT / Vierte Szene 

Ferdinand von Walter, Luise

 Er fliegt auf sie zu - er bleibt vor ihr stehen - sie sehen sich eine Zeitlang stillschweigend an. Pause

FERDINAND
Du bist blaß, Luise?

LUISE (fällt ihm um den Hals)
Es ist nichts. Nichts. Du bist ja da. Es ist vorüber.

FERDINAND (ihre Hand nehmend und zum Munde führend)
Und liebt mich meine Luise noch? Ich fliege nur her, will sehn, ob du heiter bist - du bist’s nicht. 

LUISE
Doch, doch, mein Geliebter.

FERDINAND
Rede mir Wahrheit. Du bist’s nicht. Was hast du? Was bekümmert dich? Ich schaue durch deine Seele wie durch das klare Wasser dieses Brillanten. (Er zeigt auf seinen Ring) 

LUISE (sieht ihn eine Weile stumm und bedeutend an, dann mit Wehmut)
Ferdinand! Ferdinand! Dass du doch wüsstest, wie schön in dieser Sprache das bürgerliche Mädchen sich ausnimmt -

FERDINAND (befremdet)
Mädchen! Höre! Wie kommst du auf das? - Du bist meine Luise! Wer sagt dir, dass du noch etwas sein solltest? Bürgerliches Mädchen? Schäme dich! Jeder Augenblick, den du an diesen Kummer verlorst, war deinem Ferdinand gestohlen.

LUISE (fasst seine Hand, indem sie den Kopf schüttelt)
Du willst mich einschläfern, Ferdinand - willst meine Augen von diesem Abgrund hinweglocken, in den ich ganz gewiss stürzen muss. Ich seh in die Zukunft – dein Ruhm, deine glänzenden Aussichten - dein Vater - mein Nichts. (Erschrickt und lässt plötzlich seine Hand fahren) Ferdinand! ein Dolch über dir und mir! Man trennt uns!

FERDINAND
Trennt uns! (Er springt auf)  Wer kann den Bund zweier Herzen lösen, oder die Töne eines Akkords auseinanderreißen? Dieses Weib ist für diesen Mann! - Ich bin des Präsidenten Sohn. Eben darum. Wer, als die Liebe, kann mir die Flüche versüßen, die mir der Landeswucher meines Vaters vererben wird?

LUISE
O, wie sehr fürcht ich ihn - diesen Vater!

FERDINAND
Ich fürchte nichts - nichts - als die Grenzen deiner Liebe. Gefahren werden meine Luise nur reizender machen. - Also nichts mehr von Furcht, meine Liebe. Ich will über dir wachen wie der Zauberdrache über unterirdischem Golde.  Mir vertraue dich an. Du brauchst keinen Engel mehr - Ich will mich zwischen dich und das Schicksal werfen! - An diesem Arm soll meine Luise durchs Leben hüpfen - 

FOTO 2: Luise und Ferdinand 

LUISE (drückt ihn von sich, in großer Bewegung)
Nichts mehr! Ich bitte dich, schweig! Lass mich! Ich hatte diese Träume vergessen und war glücklich - Jetzt! Jetzt! Von heut an - der Friede meines Lebens ist aus. Geh - Gott vergebe dir’s - du hast  den Feuerbrand in mein junges friedliches Herz geworfen, und er wird nimmer, nimmer gelöscht werden. (Sie stürzt hinaus. Er folgt ihr sprachlos nach)

FOTO 3 / 4: Lady Milford und Ferdinand / Hofmarschall von Kalb

 

AUSZÜGE AUS DEM VIERTEN AKT

VIERTER AKT / Siebte Szene

LADY, LUISE

LUISE tritt schüchtern herein und bleibt in einer großen Entfernung von der LADY stehen; LADY betracht sie eine Zeit lang aufmerksam.

 

 

LUISE (Nach einer Pause)

Gnädige Frau, ich erwarte Ihre Befehle.

 

LADY

Ohne Zweifel die Mamsell - eine gewisse - wie nennt man Sie doch?

 

LUISE (etwas empfindlich)

Miller nennt sich mein Vater, und Ihro Gnaden schickten nach seiner Tochter.

 

LADY

Recht! Recht! Ich entsinne mich - die arme Geigerstochter, wovon neulich die Rede war. Treten Sie näher, mein Kind. Nur näher - Nur ganz nah - Gutes Kind, ich glaube, du fürchtest mich?

 

LUISE (groß, mit entschiedenem Ton)

Nein, Milady. Ich verachte das Urteil der Menge.

 

LADY (für sich)

Sieh doch diesen Trotzkopf! Den hat sie von ihm. (Laut.) Luise nennt sie sich? Und wie jung, wenn man fragen darf?

 

LUISE. Sechzehn gewesen

 

LADY (steht rasch auf; für sich)

Nun ist's heraus! Sechzehn Jahre! Der erste Puls der Leidenschaft! - Auf dem unberührten Klavier der erste einweihende Silberton. Nichts ist verführerischer. (laut zu LUISE) Man hat Sie mir empfohlen, Mamsell. Sie soll was gelernt haben. Meine Sophie heiratet. Du sollst ihre Stelle haben. (Für sich) Sechzehn Jahr! Es kann nicht von Dauer sein.

 

LUISE (küsst ihr ehrerbietig die Hand)

Ich danke für diese Gnade, Milady, als wenn ich sie annehmen dürfte.  

 

LADY (in Entrüstung zurückfallend)

Man sehe die große Dame! Sonst wissen sich Jungfern Ihrer Herkunft glücklich, wenn sie Herrschaften finden. Wo will denn Sie hinaus, meine Kostbare? Sind diese Finger zur Arbeit zu niedlich? Ist es Ihr bisschen Gesicht, worauf Sie so trotzig tut?

 

FOTO 5: Lady Milford und Luise

 

LUISE

Für mein Gesicht, gnädige Frau, kann ich so wenig als für meine Herkunft.

 

LADY

Oder glaubt Sie vielleicht, Jugend und Schönheit werde nimmer ein Ende nehmen? -  Diese Wangen sind nicht im Feuer vergoldet. Was dir dein Spiegel für ewig verkauft, ist nur ein dünner, angeflogener Goldschaum, der deinem Verehrer über kurz oder lang in der Hand bleiben muß. Warum begaffen Sie mich so?

 

LUISE

Verzeihen Sie, gnädige Frau - ich war so eben im Begriff, diese prächtig blitzenden Steine zu bewundern, die nicht zu wissen scheinen, dass ihre Besitzerin sich so scharf gegen die Eitelkeit ereifert.

 

LADY (errötend)

Was in der Welt könnte Sie abhalten, einen Stand zu erwählen, der der einzige ist, wo Sie Manieren und Weltgewandtheit lernen kann, der der einzige ist, wo Sie sich Ihrer bürgerlichen Vorurteile entledigen kann?

 

LUISE

Auch meiner bürgerlichen Unschuld, Milady?

 

LADY

Läppischer Einwurf!

LUISE

Erlauben Sie, gnädige Frau, dass ich mich unterstehe, daran zu zweifeln. Die Paläste gewisser Damen sind oft die Freistätten der frechsten Vergnügungen. Wer sollte der Tochter des armen Geigers den Heldenmut zutrauen, mitten in die Pest des Hofes sich zu werfen? Ich bin offenherzig, gnädige Frau: Würde Sie mein Anblick erfreuen, wenn Sie einem ihrer zweifelhaften Vergnügen entgegengingen? Welche Folter für Sie, im Gesicht Ihres Dienstmädchens die heitere Ruhe zu lesen, womit die Unschuld ein reines Herz zu belohnen pflegt. (Sie tritt einen Schritt zurück) Noch einmal, gnädige Frau. Ich bitte sehr um Vergebung.

 

LADY (in großer innrer Bewegung herumgehend)

Unerträglich, dass sie mir das sagt! Unerträglicher, dass sie Recht hat! (Zu LUISE tretend und ihr starr in die Augen sehend) Mädchen, du wirst mich nicht überlisten. Hinter diesen großen Worten lauert ein feurigeres Interesse, - das ich (drohend) entdecken muss.

 

LUISE (gelassen und edel)

Und wenn Sie es nun entdeckten? Ich fürchte Ihre Rache nicht, Lady. Mein Elend ist so hoch gestiegen, dass selbst Aufrichtigkeit es nicht mehr vergrößern kann. (Nach einer Pause sehr ernsthaft.) Sie wollen mich aus dem Staub meiner Herkunft reißen.  was konnte Sie, Milady, bewegen , mich für die Törin zu halten, die über ihre Herkunft errötet? Was konnte Sie berechtigen , sich zur Schöpferin meines Glücks aufzuwerfen. Glücklich wollen Sie mich machen? (Plötzlich zur LADY hintretend) Sind Sie glücklich, Milady? Wenn ich Sie fragte, ob ich mit Ihnen tauschen soll - würden Sie mir zu dem Tausche raten?

 

LADY (heftig bewegt in das Sofa sich werfend)

Unerhört! Unbegreiflich! Nein, Mädchen! Nein! Diese Größe hast du nicht von zu Hause mitgebracht. Lüge mir nicht. Ich höre einen andern Lehrer -

 

LUISE (fein und scharf ihr in die Augen sehend)

Es sollte mich doch wundern, Milady, wenn Sie jetzt erst auf diesen Lehrer kämen.

 

LADY (springt auf)

Es ist nicht auszuhalten! - Ja denn!  Ich kenn' ihn - weiß alles - weiß mehr, als ich wissen mag. (Plötzlich hält sie inne, darauf mit einer Heftigkeit, die nach und nach bis beinahe zum Toben steigt) Aber wag' es, Unglückliche - wag' es, ihn jetzt noch zu lieben oder von ihm geliebt zu werden. Wag' es, an ihn zu denken oder einer von seinen Gedanken zu sein! Ich bin mächtig, Unglückliche - so wahr Gott lebt! Du bist verloren!

  

LUISE (standhaft)

Ohne Rettung, Milady, sobald Sie ihn zwingen, dass er Sie lieben muss.

 

LADY

Aber er soll mich nicht lieben. Ich kann nicht mit ihm glücklich werden - aber du sollst es auch nicht werden. Seligkeit zerstören ist auch Seligkeit.

 

LUISE

Lästern Sie nicht über Ihr eigenes Herz. Sie sind nicht fähig, ein Geschöpf zu quälen, das Ihnen nichts zu Leide getan hat, als dass es genauso empfunden hat wie Sie.

 

LADY (die sich jetzt gefasst hat)

O Luise, vergib einer Rasenden - ich will dir kein Haar kränken, mein Kind. Wünsche! Fordere! Du bist arm - sieh! (Einige Brillanten herunternehmend) Dieser Schmuck - meine Garderobe - Pferd und Wagen - dein sei alles, aber entsag' ihm!

 

LUISE (tritt zurück voll Befremdung)

Nehmen Sie ihn denn hin, Milady! - Freiwillig tret' ich Ihnen ab den Mann, den man mit Haken der Hölle von meinem Herzen riss. Jetzt ist er Ihnen! Nehmen Sie ihn hin! Rennen Sie in seine Arme! Reißen Sie ihn zum Altar - Nur vergessen Sie nicht, dass zwischen Ihren Brautkuß das Gespenst einer Selbstmörderin stürzen wird! (Sie stürzt hinaus.)

 

 

VIERTER AKT / Achte Szene

LADY

LADY allein, steht erschüttert und außer sich, den starren Blick nach der Tür gerichtet, durch welche die Millerin weggeeilt ist; endlich erwacht sie aus ihrer Betäubung.

 

 

LADY

Wie war das? Was sprach die Unglückliche? Nehmen Sie ihn hin! Gott! Gott! Bin ich so tief gesunken, dass ich heißhungrig darauf warte, was eine Bettlerin großmütig mir zuwerfen wird? - Nehmen Sie ihn hin! Und das spricht sie mit einem Tone, begleitet sie mit einem Blick - - - Nein, stolze Unglückliche! nein! - Beschämen lässt sich Emilie Milford - doch beschimpfen nie! Auch ich habe Kraft, zu entsagen.

(Mit majestätischen Schritten auf und nieder gehend) Weg mit euch, süße, goldene Bilder der Liebe - Großmut allein sei jetzt meine Führerin! Dieses liebende Paar ist verloren - oder die Milford muss ihren Anspruch aufgeben und im Herzen des Fürsten erlöschen! (Nach einer Pause, lebhaft) Es ist geschehen! Zerbrochen alle Bande zwischen mir und dem Herzog, gerissen aus meinem Herzen diese wütende Liebe! Ha! wie mir so wohl ist! Wie ich auf einmal so leicht, so gehoben mich fühle! (Entschlossen zum Schreibpult gehend) Jetzt gleich muss es geschehen - jetzt auf der Stelle! (Sie setzt sich nieder und fängt an zu schreiben)

FOTO 6: Lady Milford verabschiedet sich von ihrer Zofe Sophie

AUSZÜGE AUS DEM FÜNFTEN AKT

FÜNFTER AKT / Sechste Szene

FERDINAND, LUISE

Großes Stillschweigen

 

LUISE

Sie sind mir noch Revanche auf dem Schachbrett schuldig. Spielen wir eine Partie, Herr von Walter? (Pause.)

 

LUISE

Herr von Walter, die Brieftasche, die ich Ihnen einmal zu sticken versprach - ich habe sie angefangen - Wollen Sie das Dessin sehen? (Pause) Meine Schuld ist es nicht, Herr von Walter, dass Sie so schlecht unterhalten werden.

 

 

FERDINAND (lacht beleidigend vor sich hin)

Nein. Denn was kannst du für meine blöde Zurückhaltung!

 

LUISE

Ich hab' es ja gewusst, dass wir jetzt nicht zusammenpassen, Herr von Walter. Wenn Sie mir's erlauben wollen, so geh' ich und bitte einige von meinen Bekannten her.

 

FERDINAND

O ja doch, tu' das. Ich will auch gleich gehn und einige von den meinigen herbitten. Wir machen aus diesem verdrießlichen Duett eine Lustbarkeit und rächen uns mit einer Orgie an den Launen der Liebe. Luise! Du sollst meine Lehrerin sein. Toren sind's, die von ewiger Liebe schwatzen. Topp, Luise! Ich bin dabei - Wir hüpfen von Bett zu Bett, wälzen uns von Schlamm zu Schlamm - du dahin - ich dorthin - vielleicht, dass meine verlorene Ruhe sich in einem Bordell wiederfinden lässt -

 

LUISE

Unglücklich bist du schon; willst du es auch noch verdienen?

 

FERDINAND (ergrimmt durch die Zähne murmelnd)

Unglücklich bin ich? Unglücklich, sagte sie? Das wusste sie und hat mich dennoch verraten. Also leichtsinnig warst du nicht - dumm warst du nicht - du warst nur ein Teufel. (Er trinkt.) Die Limonade ist matt wie deine Seele. Versuche!

 

LUISE

Das anzuhören und schweigen zu müssen!

 

FERDINAND (gebieterisch)

Versuche!

 

LUISE (trinkt)

Die Limonade ist gut.

 

FERDINAND(ohne sich umzukehren, von Schauer geschüttelt)

Wohl bekomm's!

 

LUISE

O wenn Sie wüssten, Walter, wie ungeheuer Sie meine Seele beleidigen. Es wird eine Zeit kommen, Walter ...

 

FERDINAND

O! mit der Zeit wären wir fertig.

 

FERDINAND

Fühlst du dich wohl, Luise?

 

LUISE

Wozu diese Frage?

 

FERDINAND (unter heftigen Bewegungen)

Luise! Hast du den Marschall geliebt? Du wirst nicht mehr aus diesem Zimmer gehen.

 

LUISE

Fragen Sie, was Sie wollen. Ich antworte nichts mehr. (Sie setzt sich nieder.)

 

FERDINAND

Hast du den Marschall geliebt? Du wirst nicht mehr aus diesem Zimmer gehen.

 

LUISE

Ich antworte nichts mehr.

 

FERDINAND (fällt in fürchterlicher Bewegung vor ihr nieder)

Luise! Hast du den Marschall geliebt? Ehe dieses Licht noch ausbrennt - stehst du - vor Gott!

 

LUISE (fährt erschrocken in die Höhe)

Jesus! Was ist das? - mir wird sehr übel. (Sie sinkt auf den Sessel zurück)

 

FERDINAND

Deine Limonade war in der Hölle gewürzt.

 

LUISE

Gift! Gift! Sterben! Sterben! Ist keine Rettung mehr? Mein armer, verlorener Vater! Mein junges Leben, und keine Rettung?

 

FERDINAND

Sei ruhig. Wir machen die Reise zusammen.

 

LUISE

Ferdinand, auch du! Gift? Nun kann ich nicht mehr schweigen. Der Tod - der Tod hebt alle Eide auf - Ferdinand! Ich sterbe unschuldig, Ferdinand.

 

FERDINAND (erschrocken)

Was sagt sie da? - Eine Lüge pflegt man doch nicht mit auf diese Reise zu nehmen?

 

LUISE

Ich lüge nicht, ich hab' nur einmal gelogen mein Lebenlang - als ich den Brief schrieb an den Hofmarschall - dein Vater hat ihn diktiert.

 

FERDINAND (starr und einer Bildsäule gleich; plötzlich reißt er den Degen heraus)

Gott Lob! Noch spür' ich das Gift nicht. (Will davoneilen)

 

LUISE (von Schwäche zu Schwäche sinkend)

Weh! Es ist dein Vater - sterbend vergab unser Erlöser - Heil über dich und ihn. (FERDINAND stürzt sich über sie; sie stirbt)

 

FERDINAND (im Ausdruck der unbändigsten Wut)
Mörder! Mördervater!

 

FÜNFTER AKT / Letzte Szene 

FERDINAND, PRÄSIDENT, dann MILLER, WURM

 

PRÄSIDENT (den Brief in der Hand)

Mein Sohn, warum hast du mir das getan?

 

FERDINAND (ohne ihn anzusehen)

O ja freilich! Ich hätte erst den Staatsmann hören sollen, ob der Streich auch zu seinen Karten passe!

 

MILLER (hinter der Szene rufend)

Lasst mich hinein! Um Gottes willen! Lasst mich! Meine Tochter! Wo bist du?

 

FERDINAND (zeigt auf den PRÄSIDENTEN)

Ich bin unschuldig - Danke diesem hier.

 

MILLER (fällt an ihr zu Boden)

O Jesus!

 

FERDINAND

Vater! Ich bin um mein Leben bestohlen, bestohlen durch Sie, Vater. Und ich hab' einen Mord begangen, (mit furchtbar erhobener Stimme) einen Mord, den du mir nicht zumuten wirst, allein vor den Richter der Welt hinzuschleppen. Feierlich wälz' ich dir die größte, grässlichste Hälfte der Schuld zu. (Er stirbt)  

 

FOTO 7: Präsident von Walter und Ferdinand

 

PRÄSIDENT (eine schreckliche Bewegung des Arms gegen den Himmel)

Von mir nicht, von mir nicht, Richter der Welt, fordre diese Seelen, von diesem! (Er geht auf WURM zu)

 

WURM (auffahrend)

Von mir?

 

PRÄSIDENT

Verfluchter, von dir! Von dir, Satan! - Du, du gabst den Schlangenrat. Über dich die Verantwortung - ich wasche die Hände.

 

WURM

Über mich? (Er fängt grässlich an zu lachen.) Lustig! Lustig! Über mich, du dummer Bösewicht? War es mein Sohn? War ich dein Gebieter? Über mich die Verantwortung? Jetzt soll ich verloren sein? Aber du sollst es mit mir sein. Auf! Auf! Ruft Mord durch die Gassen! Weckt die Justiz auf! Gerichtsdiener, bindet mich! Führt mich ab! Ich will Geheimnisse aufdecken, dass denen, die sie hören, die Haut erschauern soll. (Will gehen)

 

PRÄSIDENT (hält ihn)

Du wirst doch nicht, Rasender?

 

WURM (klopft ihm auf die Schulter)

Ich werde, Kamerad! Ich werde! Arm in Arm mit dir zum Blutgerüst! Arm in Arm mit dir zur Hölle!  

 

FOTO 8: Präsident und Sekretär Wurm

 

[Die Szene erstarrt. Von weither erklingt die Marseillaise. Die übrigen Personen treten nach und nach auf die Bühne. Alle blicken in die Richtung, aus der die Musik kommt, die immer lauter anschwillt.]

 

 

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