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Auf dieser Seite finden Sie Erläuterungen
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zum antiken Theater
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zur griechischen Tragödie
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zu Sophokles
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zur Handlung der "Antigone"
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zu wichtigen Aspekten für das Verständnis der
"Antigone"
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Das
antike Theater
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Das Theater der klassischen Zeit bestand
aus folgenden Teilen:
Orchéstra:
Tanzplatz, rund, etwa 30
Meter Durchmesser; hier agierte der Chor.
In der Mitte des
Orchestra-Kreises stand das hölzerne Götterbild des Dionysos.
Skené
(Zelt):
Bühnenhaus mit Türen, ursprünglich aus Brettern bestehend, später
aus Stein. Es repräsentierte den Königspalast. Das Bühnenhaus diente
auch zum Installieren technischer Einrichtungen, wie dem Enkyklema, das
ins Freie gerollt wurde, um das Ergebnis von Handlungen (z. B. Selbstmord
Iokastes), die nicht im Freien gezeigt wurden, sichtbar zu machen oder der
Einrichtung des "deus ex machina", einer Art Kran, mit dessen
Hilfe die Götter von außen erscheinen und eine Lösung für die Handlung
bringen konnten.
Proskénion:
Hier erfolgte der Auftritt der Schauspieler. Es
war der Platz vor dem Königspalast, auf den der Herrscher und seine Angehörigen
heraustraten, um mit den Bürgern zu sprechen.
Paraskénion:
Flügelbau an jeder Schmalseite der Skené.
Théatron:
Zuschauerraum, der in Athen in den Felshang der Akropolis eingearbeitet
ist; Fassungsvermögen: 17000 Zuschauer; Theater von Epidauros (siehe Foto
Titelblatt) 15000
Párodos:
Eingang zwischen Skene und Theatron, sowohl für die Zuschauer als auch während der Aufführung für den Chor und bestimmte Schauspieler.
Beleuchtungseffekte:
Dazu diente der Lauf der
Sonne. So musste der "König Ödipus"
am Morgen aufgeführt werden,
damit der geblendete Held aus dem Tor des Bühnenhauses treten konnte,
wenn die Sonne gegen Mittag hoch stand und ihn ganz ins Licht rückte. Es
entstand symbolisch der
Kontrast zwischen "Licht" und "Dunkelheit" (Blindheit
des Ödipus)
Masken:
Die Schauspieler trugen eine Maske aus bemaltem Stoff. Näheres siehe
unten.
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Die griechische Tragödie
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Entstehung
und Entwicklung
Die griechische
Tragödie ist aus dem Dionysos-Kult entstanden. Drei Feste wurden dem Gott
zu Ehren gefeiert: Im Herbst durchzogen Frauen und Mädchen Wälder und
Berge in wildem, nächtlich fackelschwingendem Zug. Im Frühling wurden
dem Gott Blumen gestreut und Lieder gesungen, im November / Dezember
aber wurde für ihn getanzt. Das griechische Wort für tanzen ist „choreúein“,
die Tanzgruppe ist der chorós (vgl. Choreographie). Aus den Tänzen des
Chors entwickelte sich das Drama, indem zunächst von den Tänzern
balladenartige Gesänge vorgetragen wurden, die die Taten und das Wirken
des Dionysos und anderer Gottheiten verherrlichten. Bald wurden diese als
Wechselgesänge gestaltet und es bildeten sich dialogische Partien
zwischen Chorführer und Chor heraus. Die nächste Stufe war die Einführung
eines Schauspielers, der dem Chor gegenübertrat. Erst mit der Einführung
eines zweiten Schauspielers durch Aischylos war die Voraussetzung für
den Dialog gegeben. Sophokles erweiterte den Bestand durch einen dritten
Schauspieler, und bei diesem Umfang blieb es in der klassischen
griechischen Tragödie. Die Schauspieler übernahmen
mehrere Rollen und es gab nur männliche Schauspieler, d. h. Frauenrollen
wurden von Männern gespielt.
Das wurde erleichtert durch den Gebrauch von
Masken
Die Masken wirkten entindividualisierend
und zugleich typisierend für die betreffende Rolle.
Den Zuschauern kam es lediglich auf edle Gebärdensprache an. Außerdem
war die Mundpartie der Masken trichterförmig ausgebildet und trug damit
zur Akustik bei, obwohl in den antiken Theatern durch wohl überlegte
Architektur ohnehin jedes Geräusch aus der Orchestra und von der
Proskene von den zahlreichen Zuschauern (im Dionysostheater von Athen
waren es nach dem Umbau im 4. vorchristlichen Jahrhundert 17000!) gut zu hören
war. Zur Entpersönlichung der Schauspieler, gewissermaßen zur
Verfremdung, trug auch der Kothurn (Stelzfuß) bei: Sandalen mit
hoher Sohle, welche die Gestalt größer erscheinen ließen und die
Schreitbewegung hemmten, was den Bewegungen etwas Feierliches und Würdevolles
verlieh. Damit waren die Schauspieler dem menschlichen Bereich entrückt
und der göttlichen Sphäre angenähert.
Die Rolle des Chors
Zwölf bis
fünfzehn „Choreuten“, zugleich Tänzer und Sänger, an deren Spitze
ein Koryphäos (Chorführer) stand, bildeten den Chor der griechischen
Tragödie, verstärkt durch einen Flötenspieler. Der Chor nimmt eine
Mittlerrolle zwischen den Schauspielern und den Zuschauern wahr. Er
kommentiert das Geschehen auf der Proskene, wobei er die Gedanken,
Empfindungen und Befürchtungen des Publikums formuliert. Zugleich wendet
er sich an die Schauspieler, er
stellt ihnen Fragen oder verstärkt ihre Aussagen und ist zuweilen das
Gewissen des Handelnden. In den Chorliedern, die oft den Charakter von
Gebeten haben, rückt er die Spannung der Handlung in eine religiöse
Dimension. Die Kosten für die Einstudierung des Chores wurden von
angesehenen Bürgern Athens übernommen; es galt als Auszeichnung, eine
Aufführung finanzieren zu dürfen. Im Allgemeinen wurden die Stücke
nur ein einziges Mal gespielt, eben zu Ehren des Dionysos, dessen Statue
bei der Aufführung in der Orchestra zugegen war und zusah. Die Tragödie
blieb also eine religiöse Veranstaltung.
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Sophokles
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Geb.
496 (oder 497), gest. 406 in Athen, wurde schon zu seiner Zeit gepriesen
als „götterbegnadet wie kein andrer“. Zu den Gnadengaben zählt auch,
dass der politische und kulturelle Aufstieg Athens mit den Jahrzehnten
seiner eigenen künstlerischen Vollendung zusammentraf. Von seinen
Beziehungen zu hervorragenden Zeitgenossen war am bedeutsamsten die
Freundschaft mit dem großen Staatsmann Perikles (nach ihm nennt man diese Blütezeit Athens auch das „Perikleische
Zeitalter“), der ihn sogar mehrfach in hohe Staatsämter berief.
Sophokles beteiligte sich 468 erstmals am Agon, dem Wettstreit der Tragödiendichter
zu Ehren des Dionysos, und erhielt den Preis. Von insgesamt 123 Bühnenwerken,
mit denen Sophokles immer wieder den Beifall der Athener erringen konnte,
sind nur sieben Tragödien und ein Satyrspiel erhalten, darunter
Dichtungen höchsten Ranges wie König Ödipus und Antigone,
die ihren Schöpfer als den großen Vollender der attischen Tragödie
erweisen.
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Das Tragische bei Sophokles
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Sophokles
nimmt mit seinem Schaffen eine Mittlerstellung zwischen Aischylos und
Euripides, den anderen beiden großen Tragödiendichtern, ein. Zwar hat
Aischylos als Erster den tragischen Zwiespalt des Menschen dichterisch
gestaltet, aber sein Menschenbild ist streng in der griechischen
Religion verwurzelt: Der Mensch ist den Göttern untertan, hat ihnen
unbedingt zu gehorchen und das von ihnen verhängte Schicksal anzunehmen.
Der ein Menschenalter jüngere Sophokles sieht in seinen Tragödien den
Menschen als ein wesentlich selbständigeres Individuum, das gerade durch
seine Freiheit jedoch gefährdet ist, überheblich zu werden und,
verblendet von Selbstüberschätzung, es gegenüber den Göttern an
Ehrerbietung und Frömmigkeit fehlen zu lassen. Auch Kreon verfällt
dieser – als „Hybris“ bezeichneten – durch Verblendung
hervorgerufenen Überheblichkeit. Er
wird von den Göttern hart gestraft, weil er sich den
„ungeschriebnen, unveränderbaren / Und ewigen Gottgeboten“ (Antigone)
widersetzt, zu denen auch die moralische Verpflichtung zählt, für die
Bestattung eines Angehörigen zu sorgen.
Wie Ödipus, der Titelheld in dem anderen bedeutenden Drama des Sophokles,
wird Kreon durch die Schläge der Götter geläutert: Er sieht sein
Vergehen ein und akzeptiert den Schuldspruch der Götter über sich. Somit
sind „Besonnenheit“ und „Einsicht“
sowie ihr Gegenteil „Unbeherrschtheit“ und „Starrsinn“
Leitbegriffe dieses Dramas, das der Chor folgerichtig mit den Worten
schließt: „Die höchste
Gnade ist Besonnenheit. / Was der Götter ist, entweihe keiner! /
Überheblichkeit büßt man mit tiefem Fall. / Dies Wort uns
Menschen zur Besinnung!“
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Vorgeschichte zur Handlung der "Antigone"
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König
Laios von Theben hatte in seiner Jugend einen Frevel begangen: Er entführte
einen Jungen und wurde von dessen Vater mit dem Fluch belegt, dass sein
eigener Sohn ihn einst ermorden werde. Als Laios geheiratet hat und seine
Frau Iokaste ihm einen Sohn schenkt, entdeckt er ihr den alten Fluch. Um
sich und auch den Sohn vor diesem Schicksal zu bewahren, beschließt das
Ehepaar, das Kind auszusetzen. Der Hirte, der es in die Wildnis bringen
soll, übergibt den Kleinen jedoch heimlich einem Kollegen aus Korinth.
Dieser bringt ihn dem dortigen Herrscherpaar, das selbst keine Kinder hat,
und daher mit Freuden den kleinen Findling adoptiert und ihm den Namen Ödipus
gibt.
Als Ödipus herangewachsen ist, wird er vom Orakel von Delphi mit der
Prophezeiung konfrontiert, er werde seinen Vater töten und seine Mutter
heiraten. Entsetzt beschließt er, nie wieder nach Korinth zurückzukehren.
Er geht von Delphi aus in die entgegengesetzte Richtung – nach Theben.
Auf halber Strecke kommt ihm ein Wagen entgegen, dessen Lenker ihn brutal
vom Weg abdrängt. Ödipus gerät in Wut und erschlägt den Wagenlenker:
seinen Vater Laios. Dieser war auf dem Weg nach Delphi, um sich Rat zu
holen, wie Theben von einem Ungeheuer, der Sphinx, befreit werden könne,
die jeden, der ihr Rätsel nicht lösen kann, auffrisst. Als Ödipus nach
Theben kommt, löst er das Rätsel der Sphinx , befreit so die Stadt und
bekommt den mittlerweile freigewordenen Königsthron an der Seite der
verwitweten Iokaste –
seiner Mutter. Somit hat sich der Fluch erfüllt, ohne dass es jemand ahnt
mit Ausnahme des Hirten, der Ödipus hätte aussetzen sollen, und des
blinden Sehers Teiresias.
Das thebanische Königspaar Ödipus und Iokaste hat vier Kinder: die
Zwillingssöhne Eteokles und Polyneikes sowie die Töchter Antigone und
Ismene. Als Ödipus die grauenhafte Entdeckung macht, dass er der Mörder
seines Vaters und der Gatte seiner Mutter ist, blendet er sich und verlässt
seine Heimat, seine Frau und Mutter Iokaste begeht Selbstmord.
Die Herrschaft erben Eteokles und Polyneikes gemeinsam. Aber der alte
Fluch wirkt fort: Im Streit um den Thron wird Polyneikes von seinem
Bruder aus Theben vertrieben und vereinigt in Argos die Heere von sieben Fürsten,
um sein väterliches Erbteil zurückzuerobern. Tapfer verteidigen
Eteokles und die von ihm auserwählten sechs Führer die sieben Tore
Thebens. Überall sind sie siegreich, aber am siebten Tor kommt es zum
Zweikampf der feindlichen Brüder, in dem einer dem andern eine tödliche
Wunde zufügt. Nun leben nur noch zwei Kinder aus der Fluchehe des Ödipus:
Antigone und Ismene.
Die Sonne des nächsten Tages sieht das Heer der Belagerer in wilder
Flucht davonjagen. Kreon, Bruder der Iokaste und somit Schwager des Ödipus
und Onkel von Antigone und Ismene, ist nun König von Theben. Seine
erste Herrscherpflicht ist die Sorge um die Gefallenen, vor allem um
Eteokles und Polyneikes.
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Das
Bestattungsverbot
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Dass
die Bestattung ihres Bruders Antigone so wichtig ist, dass sie bereit ist,
dafür den Tod zu erleiden, mag auf den ersten Blick den modernen Leser /
Zuschauer befremden. Man mag es zunächst ihrer Frömmigkeit zuschreiben,
worauf sie sich ja auch immer wieder beruft, indem sie betont, dass die göttlichen
Gebote weit über dem Gesetz des menschlichen Herrschers Kreon stehen. Was
sie als göttliche Gebote bezeichnet, lässt sich aber auch, nimmt man den
Hintergrund antiker Religiosität weg, als Grundsätze menschlicher Ethik
oder noch schlichter als rein menschliche Empfindungen von Liebe und
Verantwortung gegenüber dem Angehörigen verstehen – auch auf diese Gefühle
beruft sich Antigone immer wieder, wenn sie ihr Handeln begründet. Auch
ein heutiger Mensch muss sich wohl nicht sehr anstrengen, ihr dies
nachzuempfinden, wenn er sich vorstellt, die Leiche eines Angehörigen würde
von Vögeln und Hunden zerrissen. Es sei nur daran erinnert, mit welchem
Aufwand auch in heutiger Zeit versucht wird, die Leichen von
Katastrophenopfern zu bergen, und wie wichtig es für die Angehörigen
ist, wenigstens die sterblichen Überreste ihrer Lieben in Sicherheit zu
wissen. Für den gläubigen Menschen des antiken Griechenland kam hinzu,
dass der vollzogene Bestattungsritus Voraussetzung war, dass die Seele des
Verstorbenen in die Unterwelt, ins Reich des Hades, aufgenommen wurde;
sonst nämlich müsste sie ruhelos am Ufer des Unterweltflusses Acheron
umherirren.
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Tragik
und dramatischer Konflikt in der „Antigone“
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Kreon
glaubt, und darin besteht seine erste Verblendung, sein Bestattungsverbot
für den als Staatsfeind und Verräter eingestuften Polyneikes, sei ein
Akt gerechter Bestrafung. Dass er damit gegen sittlich-moralisches bzw. göttliches
Recht verstößt, scheint ihm zunächst gar nicht bewusst zu sein.
Zugleich dient ihm dieses Gesetz als Prüfstein dafür, ob das Volk von
Theben seine neugewonnene Herrschermacht anerkennt. Wer sich widersetzt,
erweist sich als Aufrührer, der ihm die Herrschaft streitig macht. Durch
diese Verknüpfung des Bestattungsverbots mit seinem Autoritätsproblem
verbaut sich Kreon den Rückweg zur Einsicht, das Beharren auf dem
frevelhaften Gesetz entartet zur reinen Machtprobe. In blindem Zorn
verrennt er sich in seine Uneinsichtigkeit, hört nicht auf Argumente und
lässt sich sogar mehrfach zu Gotteslästerungen hinreißen: „Sie kann
dort ja zu Hades flehen, / Den sie doch so verehrt. Vielleicht erlöst /
Er sie vom Tod. Vielleicht jedoch sieht sie / Noch ein, dass es verlorne Mühe
ist, / Dem Todesgott als einzigem zu dienen.“
In der Auseinandersetzung mit seinem Sohn Haimon kommt ein weiterer Aspekt
seiner Verblendung ins Spiel: Er, der seine Herrschaft mit dem Anspruch
antrat, nur ein Ziel zu verfolgen, nämlich das Wohl des Vaterlandes zu fördern,
wird entlarvt als Tyrann, dem seine Macht zum Selbstzweck wird und der
sich so aus der Gemeinschaft ausgrenzt: „Gehört der Staat denn einem
nur allein? (...) Allein herrschst du am besten in der Wüste!“
, hält Haimon ihm entgegen.
Erst Teiresias gelingt es, durch klare Worte Kreons Unvernunft
Einhalt zu gebieten: „Verseucht ist diese ganze Stadt – durch dich!“
Doch es ist zu spät, das Strafgericht ist schon im Gange. Somit ist Kreon
eindeutig der tragische Held der Tragödie „Antigone“: Als Herrscher
tritt er auf den Schauplatz, verrennt sich in blinder Unbesonnenheit in
seine Hybris und wird durch die Schicksalsschläge zu Fall gebracht. Als
gebrochener Held verlässt er den Schauplatz.
Doch was ist mit Antigone selbst? Ihre Tragik besteht darin, das Richtige
getan zu haben und dafür bestraft zu werden. Sie weckt Bewunderung
dadurch, dass sie unbeirrbar ihren Weg geht, rücksichtslos gegen sich,
aber auch gegen ihre Gegenspieler. Gerade gegenüber ihrer Schwester
erscheint sie in fast ungerechter Weise hart, und dem modernen Zuschauer
bleibt auch ein gewisser fanatischer Zug nicht verborgen. Worin ihre
eigentliche Tragik besteht, macht sie selbst eindrucksvoll deutlich, als
sie realisiert, dass sie so jung sterben muss, ohne eigentlich gelebt zu
haben: „Unbeweint, ungeliebt, unvermählt / Führen sie mich den letzten
Weg. / Nie mehr darf ich Arme dich sehen / Heiliges Auge des Lichts (...)
O Grab, du wirst mein Brautgemach.“ Angesichts des Todes steigt sie von
ihrem hohen Podest als Heroin herab und gewinnt die Menschlichkeit einer
jungen Frau, die man nicht nur bewundert für ihren Heldenmut und die
Klarheit ihres Bewusstseins, sondern mit der man auch tiefes Mitgefühl
empfinden kann. |
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