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Inhalt (des bearbeiteten Stückes)
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Teil 1 - Gott der Herr
beauftragt den Tod, Jedermann vor sein Gericht zu laden. Teil 2 - Das Fest ist im Gange:
Jedermann erschreckt seine Gäste durch seltsame Todesahnungen. Teil 3 - Jedermann ist von
allen und allem im Stich gelassen; da bietet ihm jemand Geleit an:
eine kranke Frau, die
sich als
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Einführung (aus dem Programmzettel zur Aufführung)
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Bei allem Ernst der Thematik ist der Jedermann ein Spiel. Darauf weist schon der Untertitel hin: Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes. Jeder weiß: Wer ein Spiel zu ernst nimmt, wird leicht zum Spielverderber, nicht zuletzt zum eigenen Nachteil. Ein Spiel soll Spaß machen, und dazu muß man die wichtigsten Spielregeln kennen. Womit spielt Hofmannsthal? Da sind zunächst Sprache und Verskunst. Der Autor spielt mit einer Ausdrucksweise, die nicht die seiner Zeit (Anfang unseres Jahrhunderts) ist. Er schafft vielmehr ein künstliches "Teutsch", das altertümlich und volkstümlich wirken soll, ohne jedoch wirklich alt bzw. Dialekt zu sein. Wenn man als Zuschauer das komisch findet, und zwar nicht nur im Sinn von "seltsam" sondern auch von "witzig", hat man sicher einen erhöhten Lustgewinn. Genauso die Verse: Auch hier darf geschmunzelt werden! Sie kommen absichtlich "hölzern" und "klappernd" daher und erinnern so an eine der verwendeten Vorlagen aus der Feder des Nürnberger Poeten und Schuhmachers Hans Sachs aus dem 16. Jahrhundert. Denn Hofmannsthal hat dieses Stück nicht völlig neu erfunden, sondern er spielt mit althergebrachtem dramatischen Material. Aus diesem übernimmt er auch die naive religiöse Vorstellungswelt. Wie Goethe im Faust
greift er auf ein volkstümlich - mittelalterliches Weltbild zurück, um
so ein großes "Welttheater"
inszenieren zu können nach dem Motto: "So schreitet
in dem engen Bretterhaus / Den ganzen Kreis der Schöpfung
aus / Und wandelt mit bedächt'ger Schnelle / Vom Himmel durch die Welt
zur Hölle." (Goethe, FAUST, Vorspiel auf dem Theater) Wie der Faust beginnt der Jedermann mit einem Vorspiel im Himmel, das die Handlung in Gang setzt, und endet ebenso damit, dass die Seele des Helden von den himmlischen Mächten vor dem Zugriff des Teufels gerettet wird. Dabei treibt der Autor mit dem Zuschauer sein Spielchen: Fast tut einem der arme betrogene Teufel ein wenig leid ... Spielerisch auch der Umgang mit der Wirklichkeit: Spielt der erste Teil noch ganz in der Realität, brechen im zweiten Teil die allegorischen Gestalten des Todes und des Mammon (Dämon des Reichtums) in diese ein. Der dritte Teil spielt nur noch auf der übersinnlichen Ebene: Jedermann begegnet zwei allegorischen Frauengestalten, Werke, die seine schwächlichen guten Werke verkörpert, und ihrer gestrengen Schwester Glaube; hinzu kommen Engel und der Teufel höchstpersönlich. Bei aller Spielerei bleibt natürlich der ernste "tiefere Sinn" des Spiels den zu erfassen soll dem Zuschauer überlassen bleiben - soweit er es will. Gerd Voss, der in den letzten Jahren den Jedermann in Salzburg spielte, brachte seinen inneren Bezug zu der Rolle auf die anschauliche Formel: ihn habe interessiert, wie das wohl sei, wenn einem plötzlich der Tod "das Stoppschild" entgegenhalte ... So mag jeder sich seine Gedanken machen. Denn ganz unbetroffen aus dem Stück zu gehen, dürfte nicht ganz leicht sein, schließlich ist jedermann mehr oder weniger ein Jedermann.
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Ein Deutungsversuch (Auszug aus einem eigenen Bericht im Jahrbuch der Schule)
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Hugo von Hofmannsthals JEDERMANN
in der Aula des Humboldt-Gymnasiums im November 1997 und bei der 12.
Karlsruher Schultheaterwoche im Mai 1998 Da
ist kein Ding zu hoch noch fest,
/ Das sich um Geld nicht kaufen
lässt. Mit diesem
und ähnlichen Statements umreißt Jedermann im ersten Drittel des Stücks
seine Lebensphilosophie und zeigt sich so als ein Zeitgenosse, der in
viele Zeiten passt, nicht zuletzt in unsere heutige. In Unterrichtsgesprächen
stellt man zunehmend fest, dass Kinder "glücklich" und
"reich" schon ganz selbstverständlich als Synonyme gebrauchen.
Ist doch nach dem globalen Triumph der Marktwirtschaft mehr denn je
jedermann bereit, sei es mit Genugtuung, sei es zähneknirschend,
Jedermanns Hymne auf die Allmacht des Geldes zu akzeptieren: Das war ein weiser und hoher Mann,/ Der uns das Geld ersonnen hat: / Macht jedermann in seinem Bereich / Schier einer kleinen Gottheit gleich. Und wenn
einer keins hat und Hilfe benötigt? Da hat Jedermann auch die passenden
Antwort: Bei
meinem Patron, was geht's mich an? Für
Jedermanns Achselzucken kennt man heute das Wort von der "sozialen Kälte",
in der sich ein zunehmender Teil der Bevölkerung einzurichten hat. Denn
die Verhältnisse, die sind halt so, und wie
man sich bettet, so liegt man, und bestimmt sind nicht wenige
Mitmenschen mit Jedermannns Gutem Gesell einverstanden, wenn er resümiert: Wär
schimpflich um die Welt bestellt / Wenn's
anders herging in der Welt. Natürlich lassen wir niemanden verhungern, und auch Jedermann will kein Unmensch sein. Statt Hilfe leistet er Sozialhilfe: Der
Mann kommt in´ Turm, da mag nichts frommen, /Der Frau gewähr ich
ein Unterkommen
/ Und was sie nötig hat zum
Leben Zusamt den Kindern,
das will ich ihr geben. Und dann
kommt alles doch ganz anders. Jedermann muss einsehen, dass es Mächte und
Werte gibt, die stärker sind als sein Reichtum. Konfrontiert mit der Hinfälligkeit
und Vergänglichkeit der eigenen Existenz, weicht seine Überheblichkeit
rasch der Hilflosigkeit, die Macht des Mammon ist in einem Nu entzaubert, Wenn's kommt zu den vier letzten Dingen. [...]
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